Vom 16. August an gibt’s Fado, Portugals melancholisches und traditionelles Musikgenre, nun auch mit deutschen Texten: Schauspieler Jürgen Tarrach (58) veröffentlicht in den Sommerferien 2019 sein erstes Album, auf dem er Fado auf Deutsch singt.
„Zum Glück traurig“ heißt der Titel der Sammlung, die bei Sony Music erscheint. Begleitet wird der bekannte Mime, der unter anderem die Rolle des Anwalts Eduardo Silva in den Lissabon-Krimis der ARD spielt, bei seinem Debut als Fadista von Piano, Cello und Gitarre. Über die Idee für das Projekt berichteten wir erstmals in unserem Artikel "Jürgen Tarrach sing mit Vidina Popov deutschen Fado im Duett".
Es sind traurige, aber auch heitere Geschichten, die der in Potsdam lebende Schauspieler besingt. Sie handeln vom Leben, von der Liebe. Einer der Song-Höhepunkte auf Tarrachs Album ist ein Duett mit Vidina Popov. Sein Titel: „Ein Schrei“. Die junge Berliner Schauspielerin (27) tritt in den Donnerstags-Krimis aus Portugals Hauptstadt als Assistentin Marcia Amaya auf.
Wir berichteten mehrfach über die Lissabon-Krimis – in diesen Beiträgen:
Lissabon: Jürgen Tarrach rettet Vidina Popov aus dem Tejo
Jürgen Tarrach: Verliebt in Lissabon
ARD: Schummelei bei Lissabon-Krimi
Vidina Popov lüftet Lissaboner Striptease-Geheimnis
ARD: Lissabon wird Krimi-Hauptstadt
Zweiter Lissabon-Krimi abgedreht
Inhaltsverzeichnis
- 1 Fado auf Deutsch ist von Lissabon inspiriert
- 2 So klingt Fado auf Deutsch
- 3 Jürgen Tarrach über Melancholie im Fado auf Deutsch
- 4 Portugiesischer Fado auf Deutsch, deutscher Fado auf Portugiesisch
- 5 Zwei Fadistas singen auf Deutsch und Portugiesisch
- 6 Fado – eine kurze Einführung
- 7 Nach der Nelkenrevolution begann ein Höhenflug
Fado auf Deutsch ist von Lissabon inspiriert
Tarrach hat bei den Dreharbeiten, wie er sagt, jeweils versucht, „in die portugiesische Seele einzutauchen“. Zusammen mit seinem langjährigen Freund, dem Pianisten Ingvo Clauder, und Texter Antek Krönung hat Tarrach, der in der Vergangenheit schon kleinere Programme französischer Chansons vortrug, versucht, das portugiesische Lebensgefühl in zunächst zwölf deutsche Fado-Songs zu übersetzen.
Clauder ist bei dem Projekt auch als Komponist, Arrangeur und Produzent dabei. Das Spiel der portugiesischen Gitarre, unverzichtbar für authentischen Fado, liegt in den Händen des einheimischen Künstlers Bernardo Couto (39), eines wahren Könners seines Fachs: "Mit ihm haben wir einen der besten Fado-Gitarristen Portugals gewinne können", freut sich Tarrach.
So klingt Fado auf Deutsch
Auf YouTube gibt es bereits den Titel „Ich habe keine Tränen“ vorab zu hören.
Am 2. Dezember wird der Schauspieler und Sänger das Debut-Album live bei einem Gesangsabend in der Berliner Passionskirche präsentieren. Früher ging's nicht, denn Tarrach dreht im Herbst zwei Monate lang wieder neue Folgen der Lissabon-Krimis – zusammen mit Vidina Popov. Das bestätigte die ARD auf Anfrage von "Algarve für Entdecker". Tags darauf, am 3. Dezember, ist der Schauspieler und Sänger mit dem Programm in der Laeiszhalle in Hamburg zu Gast. Weitere Termine sind für den März 2020 geplant.
Jürgen Tarrach über Melancholie im Fado auf Deutsch
„Am Fado begeistert mich die Melancholie, die als etwas Positives empfunden wird. Ich bin nun Ende 50. Das passiert es täglich, dass man von irgendetwas Abschied nehmen muss. Über vergangene schöne Zeiten ist man einfach traurig. Aber es hat auch etwas Lustvolles, sich an schöne Zeiten zu erinnern. Man kann die glücklichen Momente nicht mehr zurückholen; dadurch entsteht automatisch Melancholie. Aber die Erinnerung hat Bestand. Insofern empfinde ich Melancholie als ein durchaus schönes Gefühl.“ Jürgen Tarrach
Tarrach (58) ist nun der zweite männliche Fado-Sänger Deutschlands – nach Telmo Pires (46). Dessen Eltern waren 1974 mit ihm aus einem winzigen nordportugiesischen Dorf nach Deutschland gezogen. Mit dem verdienten Geld wollten sie, so berichtet der Künstler, möglichst schnell in Portugal ein Haus bauen.
Portugiesischer Fado auf Deutsch, deutscher Fado auf Portugiesisch
Pires wächst im Ruhrgebiet auf, hält aber übers Radio immer Kontakt mit der Heimat. Als Kind und später auch als Jugendlicher begeistern ihn die Stimmen von Amalia Rodrigues und Dulce Pontes. Der Portugiese, zuvor der Rock-Musik zugeneigt, bringt sich im „Ruhrpott“ autodidaktisch die Kunst des Fado-Singens bei. Später nimmt er Sprech- und Schauspielunterricht, gibt erste Konzerte auf internationalen Bühnen. 2010 singt er einmal spontan in einer Lissaboner Fado-Kneipe. Ein Produzent, David Zaccaria, der langjährige musikalische Leiter von Dulce Pontes, hört ihn, ist angetan, nimmt eine CD mit Pires auf. Seitdem hat Pires ein halbes Dutzend Alben eingespielt und verkauft.
Der Unterschied zu Jürgen Tarrach: Pires, der Deutsch-Portugiese, singt die Songs in seiner Heimatsprache Portugiesisch. Spätestens im November 2019 kann man den 46-Jährigen, der hauptsächlich in Lissabon lebt, live in Berlin erleben. Er stellt seine neue Produktion vor.
„Era uma vez“ (Es war einmal), produziert vom Berliner Label Traumton, ist der Titel-Song des Interpreten und Songwriters, der durchaus satirisch das moderne Lissabon porträtiert – das, in dem Fado-Kollege Tarrach seine Krimis dreht. Es ist das Lissabon, das von Touristenströmen geflutet wird, wo die Mieten und die Grundstückpreise steigen und viele Einwohner aus ihren angestammten Vierteln vertreiben, wo Pop-Weltstar Madonna sogar als neue Stadtpatronin gefeiert wird.
Pires singt davon, dass sich der Hype irgendwann legen werde und man bis dahin wohl durchhalten müsse. Das ist nicht nur melancholischer, sondern auch aktueller und zeitgemäßer Fado.
Zwei Fadistas singen auf Deutsch und Portugiesisch
Man wird hören, wer die Melancholie als Fadista authentischer verkörpert – der portugiesische Musiker, der in Deutschland zum Fado kam und ihn in seiner Heimatsprache singt, oder der deutsche Schauspieler, der in Lissabon zum Genre fand und ihn in deutsche Worte fasst.
Fado – eine kurze Einführung
Fado als urbane portugiesische Musik ist in der Zeit zwischen 1820 und 1830 in der Hauptstadt Lissabon entstanden. Ihre Wurzeln hat die folkloristische Nationalmusik der Portugiesen in afro-brasilianischen Tänzen, zu denen man, als Brasilien Kolonie war, sang. Fado war zunächst ein Lied der Armenviertel Lissabons, später sprang der Funke vor allem auch nach Coimbra über. In Tavernen und Bordellen wurde von Liebe, Eifersucht, Schmerz, Leid und Sünde, aber auch von sozialen Alltagsproblemen armer Arbeiter und Flüchtlinge gesungen. Fado hatte zu Beginn etwas Unanständiges; die untere Schicht sang ihn, rauchte dazu und trank billigen Rotwein.
Fado drückt Weltschmerz und Melancholie aus
Im Vierviertel-Takt wird im Fado geklagt und gelitten, werden Weltschmerz und Melancholie ausgedrückt. Mehrfach ist der Fado bereits für tot erklärt worden, doch neue Generationen von Fadistas passen ihn immer wieder an, machen ihn gewissermaßen zur "Weltmusik". Aus den Revue-Theatern heraus entwickelte er sich Anfang des 20. Jahrhunderts übers Radio und später das Fernsehen zu hoher Popularität. Als in den 30er Jahren Diktator António Oliveira Salazar an der Macht war, ließ er allzu kritische Fado-Texte verbieten. Nach dem Krieg geriet die Musik in den Händen des Salazar-Regimes zum Mittel der Propaganda. Als die Nelkenrevolution die Zeit der Diktatur beendete, Mitte der 70er Jahre, galt Fado eine gewisse Zeit lang als reaktionär.
Nach der Nelkenrevolution begann ein Höhenflug
Doch Anfang der 80er Jahre erlebte der Fado einen regelrechten neuen Höhenflug, wurde zum wichtigsten kulturellen Exportprodukt Portugals – und ein gutes Geschäft. Allerdings ging es zu jener Zeit mit dem Viertel Lissabons, in dem die meisten Fado-Lokale zu Hause waren, dem Bairro Alto, immer mehr bergab. Erst in den 90er Jahren kam der emotionale Fado, der jedem ans Herz geht, auch den ausländischen Besuchern Portugals, wieder in Mode. Seit 2011 gehört die musikalische Visitenkarte Portugals zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Bild des Fado im Ausland hat vor allem Amália Rodrigues, die 1999 gestorbene "Königin" dieser Musikgattung, geprägt: Dunkle Haut, schwarze Haare, schwarz gekleidet, traurige Lieder mit vielen Schluchzern. Aber es gibt auch den fröhlichen, kraftvollen, lebhaften Fado. Junge Künstler feiern mit ihm und dem traditionellen traurigen Fado im In- und Ausland große Erfolge. Einige bekanntere Interpreten sind zum Beispiel Mariza, Ana Moura, Dulce Pontes, Camané, Carminho und andere. In der Seitenspalte oben rechts können Sie ausgewählte CDs dieser Künstler sehen.