Muxama de Atum, den Schinken aus dem Meer, präsentieren wir heute zum Start unserer kleinen Serie "Christophs Algarve-Küche: Geschichten und Gerichte" – eine typische Thunfisch-Vorspeise aus der Ost-Algarve.
Von Christoph Höver (Text) und Musch Stavenhagen (Fotos)
Meine erste Begegnung mit dem Muxama de Atum, dem Schinken aus dem Meer, war in den 80er Jahren. Wir saßen mit einigen deutschen Jugendlichen und ihren portugiesischen Freunden im Schatten des Campingplatzzauns am Hafenkanal von Fuzeta. Der Ortsname wurde damals noch mit "z" geschrieben. Wein und Zigaretten waren Gemeingut der Runde. Nur an den seltsamen rechteckigen Schinken-ähnlichen Klotz „Irgendwas“ , den einer der Fuzetenser aus der Hosentasche hervorgezaubert hatte, trauten sich bloß die Einheimischen.
Nach mehrfacher Aufforderung, den angeblichen Schinken – ohne vertrauten Fettrand – zu probieren, habe ich mich überreden und mir mit dem Messer, das Fischer immer in der Tasche haben, eine Scheibe abschneiden lassen. Zäh, salzig und irgendwie leicht nach Fisch schmeckend, stellte ich irritiert fest. Hatte ich doch einen Schinken von einem iberischen Schwein oder ähnliches erwartet. Der Schluck Rotwein nahm die erste Irritation und hinterließ einen insgesamt angenehmen Nachgeschmack.
Muxama – das ist "Presunto do Mar", aus "Atum"
Ich muss ein ziemlich verwundertes Gesicht gemacht haben. "Presunto do Mar – Atum" (Meeresschinken, Thunfisch), wurde mir lachend erklärt, noch eine Scheibe abgeschnitten und das Weinglas wieder aufgefüllt. Ohne die falsche Erwartung schmeckte der Meeresschinken schon besser. Fan wurde ich damals allerdings nicht. Aber Zeiten und Geschmäcker ändern sich.
Nach und nach begeisterte ich mich für die archaische Art der Herstellung und Konservierung der Spezialitäten in der Nachbarschaft der Salzgärten und alten Thunfisch-Fanggebiete der Ostalgarve. Salz ist die einzige Zutat bei der Bearbeitung der Fischfilets und anderer Partien zu Muxama (oder Mojama, wie er auf der spanischen Seite des Guardiana genannt wird) und zu Estupeta de Atum. Das sind in hochkonzentrierte Salzlake eingelegte Thunfischstücke, die nach der Salzgare (Garprozess ohne Hitzeeinwirkung) in Salat gegessen werden. Aber dazu komme ich später einmal.
Beides findet man vor allem im Osten der Algarve, von Vila Real Santo António bis Olhão und auch auf der spanischen Seite des Grenzflusses Guadiana, beispielsweise in Isla Cristina. Auch hunderte Kilometer weiter im Norden, bei Aveiro, gibt es ähnliche Bedingungen und gleiche Produkte. Der Ursprung der Herstellung soll, je nach Quelle, bei den Römern und Phöniziern oder bei den Griechen liegen. Auf jeden Fall ist er sehr alt: mindestens über 2.000 Jahre!
Meeresschinken Muxama – so wird er hergestellt
Zwei Muskelstreifen am Filet („Muxama“) werden sauber abgetrennt, die Streifen in grobes Salz gewickelt und abwechselnd über Salzschichten gestapelt und mit Holzbrettern und schweren Steinen gepresst. Nach ca. zwei Tagen werden die Stücke gewaschen und geschrubbt, um möglichst viel Salz zu entfernen.
Danach folgt, wie bei der klassischen Schinkenproduktion, die Trocknung per Druckluft und dann an der Luft, was je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit ein paar Wochen dauern kann.
Das portugiesische Zentrum der Produktion war die Firma Dâmaso in Vila Real de Santo António, die nach dem Tod des Inhabers vor ein paar Jahren und nachfolgenden Erbstreitigkeiten den Betrieb eingestellt hatte. Seit Herbst 2018 hat der Traditionsbetrieb seine Produktion wieder aufgenommen und bietet seine Produkte (noch mit spanischem Aufdruck) wieder im eigenen Laden im Gewerbegebiet der Stadt an. Diese Tradition lebt wieder. Also noch ein Grund, Muxama als typische Ostalgarve-Vorspeise zu genießen.
Muxama – einige Rezepte
Sie sind kein Mann und wenn doch kein ganz so harter? Dann hier
Tipp 1: Schneiden Sie die Muxama möglichst dünn und geben sie auf jede Scheibe ein paar Tropfen Olivenöl.
Tipp 2: Machen Sie sich eine kleine Marinade drei Esslöffeln Olivenöl, einem Esslöffel gutem Essig (z.B. Balsamico), einer geschälten und gehackten Knoblauchzehe (nicht zu klein!), einem Esslöffel gezupfter und gehackter Korianderblätter und frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer. Die möglichst dünn geschnittenen Fischscheiben darin mindestens eine halbe Stunde ziehen lassen.
Mit Landbrot (Pão Caseiro) und etwas Frischem, z.B. Tomatensalat als Petisco (kleine Nascherei) oder Vorspeise genießen.
Eine interessante Rezept-Variante habe ich im Restaurant Mó de cima in Fuseta serviert bekommen:
Die perfekt dünn geschnittenen Meeresschinken-Scheiben wurden auf mildem Schafsmilch-Frischkäse serviert, mit frisch gehacktem Knoblauch und Petersilienblättern belegt und mit einem „Fädchen“ Ölivenöl begossen.
Der milde Käse nahm der Muxama die agressive Salzigkeit und Knoblauch muss sowieso sein! Lecker!
Rezept für Bruschetta de Muxama
Ebenfalls eine interessante Zwischenmahlzeit ist die Bruschetta mit Muxama. So geht’s:
- Kleine Brotscheiben rösten (Toaster oder Grill). Es können schräg aufgeschnittene Baguette‑, Weißbrot- oder Mischbrotscheiben sein, je nach Geschmack.
- Die Brotscheiben noch warm mit einer geschälten Knoblauchzehe abreiben und einige Tropfen Olivenöl aufträufeln.
- Mit einer dünnen Scheibe Tomate belegen und mit etwas Oregano bestreuen
- Mit ein bis zwei dünnen Scheiben Muxama belegen und noch etwas Olivenöl dazugeben.
- Mit ein paar Oliven und einem Glas Rotwein genießen.
Etwas aufwändiger ist mein persönlicher Rezeptvorschlag: Muxama de Atum mit Rucola-Orangen-Salat und Kräuter-Vinaigrette – ein Sommergericht! Nicht unterschätzen: Dieser Salat ist schon fast eine komplette Mahlzeit. Noch ein Hinweis: Sie müssen das Gericht nicht genauso nachmachen. Variationen nach Angebot, Laune, Wetter und Experimentierfreude sind möglich und oft auch sinnvoll.
Hier also die Zutaten für eine Platte für vier Personen:
Salat
- Rucola selvagem (ersatzweise kann man auch Brunnenkresse nehmen)
- 2 reife Orangen
- 1 rote Zwiebel
- frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
- schwarze Oliven (evtl. ohne Stein)
- weißer Balsamico (1 Esslöffel)
- Olivenöl (2 Esslöffel)
- Orangensaft (bei der Filetierung aufgefangen) 1 Esslöffel
- Salz, Pfeffer
Zubereitung
- Rucola waschen, trockenschleudern und auf der Anrichteplatte verteilen. Platz für den Meeresschinken lassen!
- Orangen filetieren (wie in der Bilderfolge oben gezeigt) und die Filets gleichmäßig auf der Rucola verteilen, Saft auffangen.
- Rote Zwiebel schälen, halbieren und längs in schmale Streifen schneiden. Über die Orangenfilets im Salat verteilen.
- Orangenfilets kräftig mit grob gemahlenem schwarzen Pfeffer bestreuen.
- Mit einer Prise Salz, dem Öl, Essig und Orangensaft übergießen.
- Eine Handvoll schwarze Oliven gleichmäßig auf dem Salat verteilen.
- Muxama (mind. 150 g) mit einem scharfen Messer oder der Aufschnittmaschine in dünne Scheiben schneiden.
- Eine Kräutersauce herstellen aus: 2 Knoblauchzehen, 1 handvoll Koriandergrün, 1 handvoll Petersilie, Pfeffer, 1 Prise Salz, 1 Esslöffel Orangensaft (aus der Filetier-Aktion), 2 Esslöffel Olivenöl. Alles mit dem Pürierstab grob zerkleinern und mit einem kleinen Löffel auf den Muxama-Scheiben verteilen.
- Abschließend mit einem feinen Faden Öl würzen.
- Mit Brot servieren.
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