Tou­ris­mus: Beschäf­tig­te flie­hen vor schlech­ten Arbeitsbedingungen

58 % der derzeit im Tourismus in Portugal beschäftigten Arbeitnehmer wollen den Bereich innerhalb von fünf Jahren verlassen und suchen eine Arbeit in einer anderen Branche. Das hat eine Studie des Zeitarbeitsunternehmens Eurofirms im Auftrag der Zeitung Expresso herausgefunden.
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Der Tou­ris­mus an der Algar­ve ist nach zwei schwie­ri­gen Jah­ren auf­grund der Covid-19- Pan­de­mie wie­der voll auf Kurs. Der August 2022 wird mit einer Rekord-Aus­las­tung von mehr als 93 Pro­zent in die Geschich­te ein­ge­hen. Den­noch bekla­gen die Unter­neh­mer den Anstieg der Kos­ten und vor allem den Man­gel an Arbeits­kräf­ten. Nach einer Stu­die des World Tra­vel & Tou­rism Coun­cil (WTTC) feh­len in Por­tu­gal 49.000 Arbeits­kräf­te im Tou­ris­mus­sek­tor. Der por­tu­gie­si­sche Hotel­ge­wer­be­ver­band (AHP) bezif­fer­te den aktu­el­len lan­des­wei­ten Arbeits­kräf­te­man­gel auf geschätz­te Zahl von „nur“ 15.000.

Für die Algar­ve beschreibt Hél­der Mar­tins, Prä­si­dent des algar­via­ni­schen Hotel­ver­ban­des AHETA, das Pro­blem ein­dring­lich: „Wir haben gese­hen, dass vie­le Restau­rants mit nur einem Gast­raum aus­kom­men muss­ten, auch wenn sie mehr hat­ten, wir haben vie­le Hotels gese­hen, die wahr­schein­lich Zim­mer schlie­ßen muss­ten, weil sie nie­man­den hat­ten, der die Zim­mer her­rich­ten konn­te, es fehl­te also über­all an Personal".

Jetzt hat eine Stu­die des Zeit­ar­beits­un­ter­neh­mens Euro­firms im Auf­trag der Zei­tung Expres­so ganz kon­kre­te Ursa­chen für das Dilem­ma gefun­den. Die Stu­die wur­de im Mai 2022 durch­ge­führt und basiert auf den Ant­wor­ten von mehr als 500 Beschäf­tig­ten im Tou­ris­mus­sek­tor. Das zen­tra­le Ergeb­nis: 58 % der der­zeit im Tou­ris­mus beschäf­tig­ten Arbeit­neh­mer wol­len den Bereich inner­halb von fünf Jah­ren ver­las­sen und suchen eine Arbeit in einer ande­ren Branche.

Die Grün­de lie­gen auf der Hand. 61 % der Befrag­ten machen pre­kä­re (Zeit-)Arbeitsverträge dafür ver­ant­wort­lich; 41,8 % geben an, dass sie ihr Arbeits­le­ben auf­grund hek­ti­scher Arbeits­zei­ten nicht mit ihrem Fami­li­en­le­ben ver­ein­ba­ren kön­nen; und 54 % sagen, dass sie nicht mehr als 800 € brut­to ver­die­nen. Die Stu­die hält abschlie­ßend fest: „Der Tou­ris­mus ist bekannt für har­te Arbeits­zei­ten, nied­ri­ge Löh­ne und befris­te­te Beschäftigung".

Für Hél­der Mar­tins (Foto) ist die Lösung des Pro­blems klar: "Wir müs­sen den Tou­ris­mus für die­je­ni­gen attrak­ti­ver machen, die dort arbei­ten wol­len, aber wir müs­sen uns auch auf die Suche nach Arbeits­kräf­ten machen, weil wir das in Por­tu­gal nicht tun kön­nen. Wir arbei­ten mit dem Arbeits­amt und ande­ren Ein­rich­tun­gen wie der Inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­ti­on für Migra­ti­on zusam­men, um recht­zei­tig Mit­ar­bei­ter aus den PALOP-Län­dern (Paí­ses Afri­ca­nos de Lín­gua Ofi­ci­al Por­tu­gue­sa) zu holen, sie zu schu­len und vor­zu­be­rei­ten, damit es in der nächs­ten Sai­son nicht zu die­sem Pro­blem kommt", erklärt er.

Der WTTC emp­fiehlt eine güns­ti­ge­re Visa­po­li­tik für die Suche nach aus­län­di­schen Arbeits­kräf­ten, die Ermög­li­chung von home office, wo immer dies mög­lich ist, die Gewähr­leis­tung ange­mes­se­ner Löh­ne, die För­de­rung von Kar­rie­re­we­gen mit ech­ten Wachs­tums­chan­cen, die Aus­bil­dung von Arbeit­neh­mern und die Ein­füh­rung inno­va­ti­ver tech­no­lo­gi­scher Lösun­gen zur Ent­las­tung der Arbeitnehmer.

Die Tou­ris­mus­ge­werk­schaft der Regi­on Nor­te (Sin­di­ca­to dos Tra­bal­ha­dores da Indús­tria de Hotel­aria, Turis­mo, Restau­rant­es e Simi­la­res do Nor­te) for­der­te unter­des­sen ganz kon­kre­te Maß­nah­men. Sie ver­langt 100 Euro mehr Lohn pro Monat ab Janu­ar 2023 und einen 25 %igen Zuschlag für Über­stun­den und Wochenendarbeit.

Ihre Ein­schät­zung: "Wenn ein Arbeit­neh­mer die Arbeit im Tou­ris­mus-Sek­tor mit dem natio­na­len Min­dest­lohn, Wochenend‑, Fei­er­tags- und Nacht­ar­beit sowie Arbeits­plä­nen, die das per­sön­li­che und fami­liä­re Leben nicht orga­ni­sie­ren kön­nen, mit einem ande­ren Sek­tor ver­gleicht, in dem dies nicht der Fall ist, flieht er aus dem Sek­tor wie der Teu­fel vor dem Kreuz".

Susanne Tenzler-Heusler: Reise-Fan, Kommunikatorin mit großer Neugierde an Menschen, Natur und Gesellschaft - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaberin
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