Algarve-„Notlandung“: Sol­che Arti­kel stinken!

Weltweit laufen Artikel über einen kuriosen Vorfall auf einem Flug von den Kanarischen Inseln nach Amsterdam-Schiphol mit außerplanmäßiger Zwischenlandung ("Notlandung") auf dem Algarve-Flughafen Faro aus dem Ruder. Angeblich stank ein Passagier stark. Wir haben die Artikel verglichen. Dabei stößt dies hier übel auf.
Artikel über Notlandung in Faro wegen stinkenden Passagiers stoßen übel aufArtikel über Notlandung in Faro wegen stinkenden Passagiers stoßen übel auf

Artikel über eine angebliche "Notlandung" in Faro stinken zum Himmel. Foto: Aaron Barnaby

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Sol­che Medi­en­be­rich­te stin­ken gewal­tig zum Him­mel: Arti­kel über einen kurio­sen Vor­fall auf einem Flug von den Kana­ri­schen Inseln in die Nie­der­lan­de mit außer­plan­mä­ßi­ger Zwi­schen­lan­dung ("Not­lan­dung") auf dem Algar­ve-Flug­ha­fen Faro lau­fen bestimm­ten Redak­tio­nen, vor allem von Bou­le­vard-Medi­en, aus dem Ruder – auf der gan­zen Welt. Zu fra­gen ist, ob jour­na­lis­ti­sche Sorg­falts­pflicht in die­sen Fäl­len nicht unter die Räder (des Fahr­werks) gera­ten ist…

Am wei­tes­ten leh­nen sich die Schwei­ze­ri­sche Zei­tung Blick und das öster­rei­chi­sche Blatt Kro­ne aus dem (Kabinen-)Fenster: Für sie war es ein „stin­ken­der Rus­se", wegen des­sen stren­gen Kör­per­ge­ruchs das Flug­zeug eines nie­der­län­di­schen Bil­lig­flie­gers an der Algar­ve „not­lan­den“ muss­te. Wel­che Rol­le die Natio­na­li­tät des Pas­sa­giers für den gesam­ten Vor­fall spie­len soll und woher die Infor­ma­tio­nen für ihre Arti­kel stam­men, las­sen Blick und Kro­ne völ­lig offen. Ande­re Medi­en nen­nen die Her­kunft des Flug­gas­tes nicht. Die Bou­le­vard­zei­tung Blick ver­öf­fent­licht sogar ein Foto, das vom Kurz­nach­rich­ten­dienst Twit­ter stam­men soll und – seit­lich foto­gra­fiert – angeb­lich den übel rie­chen­den Mann (mit ver­pi­xel­tem Gesicht) in Groß­auf­nah­me auf dem über­nächs­ten Kabi­nen­sitz zeigt.

 

Arti­kel hät­ten kor­rekt von außer­plan­mä­ßi­ger Lan­dung zu sprechen

 

„Außer­plan­mä­ßig“ dürf­te die luft­fahrt­tech­nisch kor­rek­te Bezeich­nung für das sein, was am Diens­tag tat­säch­lich pas­siert ist – und nicht "Not­lan­dung". Denn ob eine tat­säch­li­che Not­la­ge bestan­den hat, die nicht auf ande­rem Weg zu lösen war, das steht im Ermes­sen des Flug­ka­pi­täns und auf einem ganz ande­ren Blatt. Und kann von Medi­en aus der Fer­ne nicht beur­teilt wer­den. Gleich­wohl: Ein­hel­lig machen die meis­ten Medi­en – sogar in der gan­zen Welt – auf alar­mis­tisch und schrei­ben in dem jewei­li­gen Arti­kel von einer Notlandung.

Inter­es­sant auch: Die meis­ten Über­schrif­ten der Arti­kel nen­nen den Namen der betrof­fe­nen nie­der­län­di­schen Flug­ge­sell­schaft „Tran­sa­via“. Dahin­ter könn­te sogar Absicht ste­cken, denn eini­ge Medi­en erin­nern gleich­zei­tig an angeb­lich ähn­li­che „Not­lan­dun­gen“ von Maschi­nen die­ser Bil­li­g­air­line in die­sem Jahr. Im Febru­ar sol­len dau­er­haf­te Blä­hun­gen eines Pas­sa­giers den Pilo­ten einer Maschi­ne auf dem Weg von Dubai nach Ams­ter­dam zu einer außer­plan­mä­ßi­gen Lan­dung in Wien ver­an­lasst haben. Eben­falls in der öster­rei­chi­schen Haupt­stadt soll ein Tran­sa­via-Jet am 13. Mai außer­plan­mä­ßig gelan­det sein – wegen „merk­wür­di­ger Gerü­che“ in der Kabi­ne. Das riecht doch ganz so, als sol­le der Gesell­schaft bewusst ein Schmud­del-Image ange­hängt werden…

 

Ent­fernt: Eine Tran­sa­via-Besat­zung ließ nach außer­plan­mä­ßi­ger Lan­dung in Faro einen Pas­sa­gier von Bord brin­gen, des­sen Kör­per­aus­düns­tun­gen zu Beschwer­den geführt hat­ten. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Arti­kel über Faro-Not­lan­dung sind aus meh­re­ren Grün­den unzuverlässig

 

Ver­las­sen auf den Wahr­heits­ge­halt kön­nen sich die Leser sol­cher Arti­kel auch aus einem ande­ren Grund nicht. Wäh­rend die meis­ten davon berich­ten, dass der stark aus­düns­ten­de Pas­sa­gier „meh­re­re“ Mit­rei­sen­de in der Kabi­ne zum Erbre­chen ver­an­lasst habe, schrei­ben ande­re sogar von Fäl­len von „Ohmacht“. Immer wird jedoch im Unkla­ren gelas­sen, wie groß genau die Zahl der Betrof­fe­nen war, die so reagierten.

Tran­sa­via – nicht der ein­zi­ge Bil­lig­flie­ger, der Tou­ris­ten an die Algar­ve und zu ande­ren Feri­en­zie­len bringt. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Selbst bei der Anga­be der Flug­rich­tung kön­nen sich eini­ge Medi­en nicht auf kor­rek­te Aus­sa­gen eini­gen. Wäh­rend in man­chem Arti­kel, zum Bei­spiel von bri­ti­schen Medi­en, der betrof­fe­ne Flug von Las Pal­mas auf Gran Cana­ria nach Ams­ter­dam-Schip­hol ging, fand in ande­ren die angeb­li­che Not­lan­dung auf der umge­kehr­ten Flug­ver­bin­dung statt. Zum Glück wird in eini­gen Arti­keln die Flug­num­mer HV 5666 genannt. Und die gehört ein­deu­tig zu einem Flug von den Kana­ren nach Holland.

Wohl am hef­tigs­ten gehen Medi­en in den Nie­der­lan­den und Bel­gi­en vor, also aus dem Hei­mat­markt von Tran­sa­via. Der hol­län­di­sche „Tele­graaf“ ver­öf­fent­licht in dem betref­fen­den Arti­kel auf sei­ner Web­sei­te sogar zwei Fotos, die auf dem Flug­ha­fen Faro an der Algar­ve in dem Moment geschos­sen wor­den sein sol­len, in dem der betref­fen­de "stin­ken­de" Pas­sa­gier auf dem Vor­feld aus dem Flug­zeug gelei­tet wird. Der Tele­graaf stützt sich, wie ande­re Medi­en, in sei­ner Bericht­erstat­tung ledig­lich auf einen ein­zi­gen bel­gi­schen Flug­gast; übri­gens genau den, der auch in einem Arti­kel des bel­gi­schen News-Por­tals VRT zitiert wird. Kei­ne Aus­sa­ge von ande­ren Pas­sa­gie­ren wird erwähnt, nur eine schmal­lip­pi­ge Bestä­ti­gung eines Spre­chers von Tran­sa­via, wonach es „medi­zi­ni­sche Grün­de“ für die nicht geplan­te Zwi­schen­lan­dung gege­ben habe.

Gut­gläu­big über­neh­men die meis­ten inter­na­tio­na­len Medi­en die Aus­sa­gen aus der ein­zi­gen Quel­le (des bel­gi­schen Flug­gas­tes) und schmü­cken sie bei der Wie­der­ga­be nach Belie­ben aus: Von "Hor­ror" ist die Rede. Und von einer "mensch­li­chen Stinkbombe".

Die Redak­ti­on "Algar­ve für Ent­de­cker" hat am Sams­tag­vor­mit­tag den Spre­cher der ANA-Flug­hä­fen in Por­tu­gal um Infor­ma­tio­nen über den Vor­fall gebe­ten. Unter ande­rem woll­ten wir wis­sen, ob er eine medi­zi­ni­sche Behand­lung des in Faro von Bord des Tran­sa­via-Flug­zeugs gelei­te­ten Man­nes bestä­ti­gen und etwas zum anschlie­ßen­den Ver­bleib des Flug­gas­tes sagen kön­ne. Eine Ant­wort steht noch aus.

Fazit: Bis­lang Mut­ma­ßun­gen über Mut­ma­ßun­gen, aber kaum Gesi­cher­tes. Sol­cher­lei Arti­kel müs­sen dem Leser übel aufstoßen.

Hans-Joachim Allgaier: Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber
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