25. April: Die Revo­lu­ti­on geht online

Die offiziellen Feierlichkeiten zum 25. April, dem Gedanktag an die Nelkenrevolution von 1974, werden in diesem Jahr online übertragen. Für das Festprogramm haben die Intendant_innen der Nationaltheater von São Carlos, São João und D. Maria II. sowie der künstlerische Leiter der Companhia Nacional de Bailado ein ganz besonderes Werk zum Gedenken an die Revolution vom 25. April 1974 geschaffen. „Now That We Cannot Be Together" (Jetzt, wo wir nicht mehr zusammen sein können) ruft die Erinnerung und die wahren Zeugnisse von Widerstandskämpfern und Kämpfern, Frauen und Männern, die für die Freiheit kämpften, wach.

Foto: Antifa

Anzeige
Mach mit: Tei­le die­sen Bei­trag mit Freunden!

Die offi­zi­el­len Fei­er­lich­kei­ten zum 25. April wer­den in die­sem Jahr online über­tra­gen. Für das Fest­pro­gramm haben die Intendant_innen der Natio­nal­thea­ter von São Car­los, São João und D. Maria II. sowie der künst­le­ri­sche Lei­ter der Com­p­an­hia Nacio­nal de Bai­la­do ein ganz beson­de­res Werk zum Geden­ken an die Revo­lu­ti­on vom 25. April 1974 geschaf­fen. „Now That We Can­not Be Tog­e­ther" (Jetzt, wo wir nicht mehr zusam­men sein kön­nen) ruft die Erin­ne­rung und die wah­ren Zeug­nis­se von Wider­stands­kämp­fern und Kämp­fern, Frau­en und Män­nern, die für die Frei­heit kämpf­ten, wach. Die Insze­nie­rung wur­de von der por­tu­gie­si­schen Kom­pa­nie Hotel Euro­pa in den Gär­ten des Amts­sit­zes des Pre­miers auf­ge­nom­men, die für ihre Arbeit auf dem Gebiet des doku­men­ta­ri­schen Thea­ters berühmt ist.

Der offi­zi­el­le Fest­akt wird heu­te ab 15.30 Uhr auf allen Online-Platt­for­men der Regie­rung über­tra­gen (https://www.facebook.com/govpt/; https://twitter.com/antoniocostapm; https://liberdapp.pt/).

In der Zwi­schen­zeit kann man sich eine wun­der­ba­re, berüh­ren­de und coro­na­ge­mä­ße Auf­nah­me des Revo­lu­ti­ons­lie­des von 17 Mit­glie­dern des Cho­res von Cho­ral Phydel­li­us auf You­tube anschau­en und ‑anhö­ren.

 

Eine kur­ze Geschich­te der Nelkenrevolution

"Grân­do­la, Vila More­na…" Als die Sen­de­sta­ti­on "Radio­club Por­tu­gues" die­ses Lied um kurz nach Mit­ter­nacht spiel­te, war den Auf­stän­di­schen klar: Die Revo­lu­ti­on beginnt. Noch konn­te zu die­sem Zeit­punkt nie­mand ahnen, dass ein fried­li­cher Putsch eini­ger Mit­glie­der der Mili­tärs die über 40-jäh­ri­ge Dik­ta­tur in Por­tu­gal been­den soll­te. Die Nel­ken­re­vo­lu­ti­on war der Anfang einer neu­en Wel­le von Demo­kra­tie­be­stre­bun­gen in Euro­pa. Zuerst stürz­te die Dik­ta­tur in Por­tu­gal, spä­ter auch in Grie­chen­land und Spa­ni­er. Das Wis­sens­por­tal der ARD planet.wissen.de hat dazu eine lesens­wer­te Über­sicht zusammengestellt.

Die Dik­ta­tur und die Kolonialkriege

Por­tu­gal war seit Jahr­zehn­ten durch eine repres­si­ve Dik­ta­tur geschwächt. Prä­si­dent Anto­nio de Oli­vei­ra Sala­zar hat­te seit sei­ner Macht­über­nah­me im Jahr 1932 Por­tu­gal in eine inter­na­tio­na­le wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Iso­la­ti­on geführt.
In sei­nem "Estado Novo", sei­nem "neu­en Staat" ver­ein­te er die Macht und stütz­te sich auf ein Sys­tem, dem die Groß­grund­be­sit­zer, die Mili­tärs und eini­ge ein­fluss­rei­che Fami­li­en in der Wirt­schaft ange­hör­ten. Die Dik­ta­tur dul­de­te kei­ner­lei poli­ti­sche Akti­vi­tät und das Volk soll­te in Unmün­dig­keit gehal­ten wer­den. Um die Bevöl­ke­rung trotz­dem in dem Glau­ben zu las­sen, Por­tu­gal sei eine Wirt­schafts­macht, beu­te­te er die Kolo­nien aus.
In den 1960er Jah­ren ver­schlech­ter­te sich das Ver­hält­nis zu den Kolo­nien zuse­hends. 1960 hat­te Bel­gisch-Kon­go sei­ne Unab­hän­gig­keit errun­gen. Davon beein­flusst, folg­te 1961 ein Auf­stand in Ango­la, der zu einem Mas­sa­ker an wei­ßen Sied­lern führ­te. Por­tu­gal reagier­te und schick­te Sol­da­ten in das Land.
Auch wenn es den por­tu­gie­si­schen Trup­pen zunächst gelang, die Situa­ti­on unter Kon­trol­le zu bekom­men, waren auf­stän­di­sche Split­ter­grup­pen nicht mehr ein­zu­däm­men. Auch Mosam­bik und Gui­nea-Bis­sau began­nen, gegen das Mut­ter­land zu revol­tie­ren. Die Wirt­schafts­be­zie­hun­gen lagen auf Eis und die Krie­ge in den Kolo­nien wei­te­ten sich zu blu­ti­gen Gue­ril­la­krie­gen aus. Schließ­lich kämpf­ten zwei Drit­tel der 225.000 Mann star­ken por­tu­gie­si­schen Armee in Afrika.

Wider­stand for­miert sich

Die über Jah­re andau­ern­den Kolo­ni­al­krie­ge zer­mürb­ten die por­tu­gie­si­sche Gesell­schaft und belas­te­ten den Staats­haus­halt. Immer mehr Opfer waren zu bekla­gen. Inner­halb des Mili­tärs begann sich Wider­stand zu for­mie­ren. Eini­ge Offi­zie­re erkann­ten, dass die Füh­rung unter dem Nach­fol­ger Sala­zars, Mar­cel­lo Caet­a­no, auch kei­ne Lösung für die Kolo­ni­al­krie­ge und die deso­la­te wirt­schaft­li­che Situa­ti­on des Lan­des hatte.
Die Kri­se wur­de auch noch durch den Anstieg der Erd­öl­prei­se ver­schärft. Die­se Grup­pe von Offi­zie­ren, die soge­nann­te "Bewe­gung der Streit­kräf­te" (Movi­men­to das For­cas Arma­das, MFA) ent­fach­te schließ­lich 1974 vom Alen­te­jo, einer Regi­on im süd­li­chen Por­tu­gal, aus eine Revo­lu­ti­on. Zu ihnen gehör­te auch der stell­ver­tre­ten­de Gene­ral­staats­chef, Antó­nio de Spí­no­la, ein Mit­glied des kon­ser­va­ti­ven Flü­gels der Armee. Sie woll­ten die Kolo­ni­al­krie­ge been­den, die ideo­lo­gi­schen Grund­la­gen des alten Regimes besei­ti­gen und die Demo­kra­tie einführen.
Am 25. April 1974, kurz nach Mit­ter­nacht, lief das Lied "Grân­do­la, Vila More­na" ("Grân­do­la, braun­ge­brann­te Stadt"). Es war das Start­si­gnal für die Put­schis­ten und wur­de zur Hym­ne der Nel­ken­re­vo­lu­ti­on. Denn die faschis­ti­sche Füh­rung hat­te das Lied des lin­ken Lie­der­ma­chers José Afon­so wegen sei­ner kom­mu­nis­ti­schen Ten­den­zen ver­bie­ten las­sen. Jah­re­lang stand es auf dem Index, bis es am Tag der Revo­lu­ti­on erst­mals wie­der gespielt wurde.

Die Revo­lu­ti­on beginnt

Offen­bar hat­ten die Regie­rung, die Mili­tärs und die Poli­zei die Bewe­gung der Streit­kräf­te (MFA) unter­schätzt. Kurz nach drei Uhr mor­gens hat­ten die Put­schis­ten die stra­te­gi­schen Punk­te der Haupt­stadt Lis­sa­bon inklu­si­ve der Radio­sen­der und eini­ger Minis­te­ri­en besetzt. Die MFA über­nahm die Befehls­ge­walt und ver­öf­fent­lich­te ein ers­tes Kom­mu­ni­qué an die Bevölkerung:
"Hier spricht das Kom­man­do der Bewe­gung der Streit­kräf­te. Wir rufen alle Ein­woh­ner Lis­sa­bons auf, sich in ihre Häu­ser zu bege­ben und dort äußers­te Ruhe zu bewah­ren. Wir hof­fen auf­rich­tig, dass die schwe­ren Stun­den, die wir durch­le­ben, durch kei­nen Unglücks­fall getrübt wer­den. Wir appel­lie­ren an Ver­nunft und Ein­sicht der übri­gen Trup­pen, damit jeder Zusam­men­stoß mit den Streit­kräf­ten ver­mie­den wird."
Die Bevöl­ke­rung hielt sich aber nicht an die Anwei­sun­gen. Denn als die Offi­zie­re spä­ter Lis­sa­bon mit Pan­zern besetz­ten, wur­den sie vom Volk begeis­tert emp­fan­gen. Die Frau­en steck­ten den Sol­da­ten zur Begrü­ßung rote Nel­ken in die Gewehr­läu­fe, was der Revo­lu­ti­on den Namen Nel­ken­re­vo­lu­ti­on einbrachte.

Kapi­tu­la­ti­on der Regierung

Die Bewe­gung der Streit­kräf­te hat­te die Lage aber noch nicht voll­stän­dig unter Kon­trol­le. Regie­rungs­treue Gefolgs­leu­te Caet­a­nos ver­bar­ri­ka­dier­ten sich in öffent­li­chen Gebäu­den. Erst nach mehr­stün­di­gen Ver­hand­lun­gen konn­ten sie dazu gebracht wer­den, zu kapi­tu­lie­ren. Am Nach­mit­tag gegen vier Uhr erklär­te Mar­cel­lo Caet­a­no sei­nen Rück­tritt. Ein­zi­ge Bedin­gung: Er wol­le die Regie­rungs­ge­walt nicht an ihm unbe­kann­te Offi­zie­re, son­dern an Gene­ral Antó­nio de Spí­no­la übergeben.
Die Bilanz: Es gab vier Tote, als ver­blei­ben­de regime­treue Trup­pen vor dem Sitz der por­tu­gie­si­schen Geheim­po­li­zei auf unbe­waff­ne­te Demons­tran­ten feu­er­ten, mehr Opfer waren nicht zu bekla­gen. 17 Stun­den und 25 Minu­ten reich­ten aus, um eine Dik­ta­tur zu stür­zen, die über 40 Jah­re in Por­tu­gal geherrscht hat­te. Gene­ral Antó­nio de Spí­no­la ließ verlauten:
"Was wir heu­te erle­ben, ist das wich­tigs­te his­to­ri­sche Ereig­nis seit dem Auf­stand gegen die spa­ni­sche Besat­zung 1640. Heu­te fei­ern wir die Befrei­ung unse­rer Heimat."

Aus­wir­kun­gen der Nelkenrevolution

Nach dem Ende der Dik­ta­tur kam es in Por­tu­gal trotz des rei­bungs­lo­sen Ver­laufs zu tur­bu­len­ten Mona­ten. 20 Tage nach dem Sturz Caet­a­nos wur­de Spí­no­la als neu­er Prä­si­dent ver­ei­digt. Er unter­stütz­te zwar die Ver­staat­li­chung der Ban­ken, wehr­te sich aber dage­gen, die Kolo­nien Mosam­bik und Ango­la in ihre Unab­hän­gig­keit zu ent­las­sen. Inner­halb der Oppo­si­ti­ons­par­tei­en folg­ten des­we­gen erbit­ter­te Machtkämpfe.
Erst 1976 erfolg­ten die ers­ten demo­kra­ti­schen Prä­si­dent­schafts­wah­len, aus denen Mário Soares von der PS (Part­ido Socia­lis­ta) als ers­ter Regie­rungs­chef her­vor­ging. Die neue Regie­rung ent­ließ schließ­lich die Kolo­nien in die Unabhängigkeit.
Die Nel­ken­re­vo­lu­ti­on hat­te damals weit­rei­chen­de poli­ti­sche Aus­wir­kun­gen. Vie­le Exper­ten, dar­un­ter der Har­vard-Pro­fes­sor und Poli­to­lo­ge Samu­el P. Hun­ting­ton, sahen in den Gescheh­nis­sen vom 25. April den Beginn einer neu­en Demo­kra­ti­sie­rungs­wel­le in Euro­pa. Nach Por­tu­gal wur­de Grie­chen­land 1974 von der Dik­ta­tur befreit, 1975 ging auch in Spa­ni­en die Dik­ta­tur Fran­cos unblu­tig zu Ende. (Autorin: Eva Momm­sen, Fotos: pic­tu­re-alli­ance / dpa)

Fei­er­lich­kei­ten in Por­to 1983. Foto: Hen­ri­que Matos
Susanne Tenzler-Heusler: Reise-Fan, Kommunikatorin mit großer Neugierde an Menschen, Natur und Gesellschaft - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaberin
Anzeige
Ähnliche Beiträge
Anzeige