Madeira: Überfüllter Gedenkgottesdienst für Busunglück-Opfer
Am 25. April, dem portugiesischen „Tag der Freiheit“ (Dia da Liberdade), ist im Land nicht nur des Beginns der so genannten Nelkenrevolution gedacht worden. Am Abend kamen auf der Insel Madeira auch Trauernde in der Igreja Matriz do Caniço zusammen, um in einem Gedenkgottesdienst für die vielen Opfer des tragischen Busunglücks am Mittwoch vor Ostern zu beten. Es war eine ergreifende Feier an dem Tag, an dem der Fahrer des Busses aus dem Krankenhaus in Funchal entlassen wurde. Die Reiseleiterin muss dort noch behandelt werden, ist aber auf dem Weg der Besserung.
Eingeladen zu dem zweisprachigen Gedenkgottesdienst ab 19 Uhr hatte die Stadtverwaltung von Santa Cruz. Beteiligt waren die katholische und die evangelisch-lutherische Kirche.
Der Bischof der Inselhauptstadt Funchal, D. Nuno Brás, der örtliche Padre Rui und die deutsche Pfarrerin Ilse Everlien Berardo predigten gemeinsam vor überfülltem Haus. Einige Teilnehmer mussten mit Stehplätzen Vorlieb nehmen. Mitgestaltet wurde der Gottesdienst von vielen Kindern und Jugendlichen, die auch musikalisch beitrugen. Lesungen aus der Bibel (Evangelien und Offenbarung Johannes) wurden in beiden Sprachen vorgetragen. Anschließend ging ein nicht enden wollender Strom von hunderten von Teilnehmern, Blumen in den Händen, bei windigem Wetter zur Unfallstelle, um dort in der anbrechenden Dämmerung in Stille der Opfer zu gedenken. Einige hatten die örtliche Tracht angelegt. An dem Ort, wo der Bus den Abhang hinabgestürzt war, reckten die Menschen die Blumen in die Höhe und steckten sie dann in ein Netz am Geländer der Straße. Es wurde das "Vater Unser" auf Portugiesisch und Deutsch gebetet. Pfarrerin Berardo sprach auch ein kurzes Gebet in portugiesischer Sprache.
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Erst Gedenkgottesdienst, dann Prozession zur Unfallstelle
Der Gedenkgottesdienst und die Prozession zum Unfallort wurden mehr als eineinhalb Stunden lang live vom Inselfernsehen im Internet übertragen. Mehr als ein Dutzend Nutzer verfolgte den Live-Stream, wie zu erkennen war. Pfarrerin Berardo erinnerte in ihrer Ansprache daran, dass aus Urlaubsglück der deutschen Osterurlauber in der Karwoche ein "furchtbarer Kampf ums Überleben" geworden sei. 29 Menschen hätten das Leben verloren, 26 "schweren Schaden an Leib und Seele" erlitten. Aus Sympathie der Bevölkerung Madeiras für die Gäste sei in der Zeit nach dem Unglück sehr viel mehr geworden – "tiefste Empathie", so die Theologin. Die Tränen und das Leid der Überlebenden und Verzweifelnden sei mit "aufopfernden Gesten und Worten des Mitgefühls aufgefangen und beantwortet" worden. Sie hob die "Fürsorge, Liebe, Geduld und an eigenen Grenzen gehende Hingabe" aller Beteiligten hervor. Ein besonders emotionaler Moment war es, als 29 Kinder mit einer Kerze zum Altar schritten und die Lichter dort zum Gedenken an die Todesopfer abstellten.
Kein Honorarkonsul auf Madeira mehr
Soweit unsere Berichterstattung von dem Gedenkgottesdienst. Mehr zum Unfallgeschehen selbst können Sie in unserem Beitrag lesen mit dem Titel "Madeira-Busunglück: Reiseleiterin und Fahrer äußern sich". Unterdessen hat uns die Deutsche Botschaft in Lissabon bestätigt, dass es derzeit keinen Honorarkonsul auf der Insel Madeira gibt. Das Büro ist seit dem 6. Mai 2017 geschlossen, heißt es auf der Webseite. Der langjährige Honorarkonsul Ricardo Dumont dos Santos, dem 2014 das Bundesverdienstkreuz wegen seiner Leistungen für deutsche Bürger verliehen wurde, war zu diesem Zeitpunkt abgesetzt worden. Einen Grund nannte damals das Auswärtige Amt nicht. Der Bayerische Rundfunk vermutete nach investigativen Recherchen zum Thema Offshore-Geschäfte, dass die Entlassung des Honorarkonsuls etwas mit solchen steuersparenden Geschäften zu tun gehabt haben könnte.
Deutsche Konsularteams nach Funchal entsandt
Botschaftsrätin Daniela Schlegel schrieb uns zur Betreuung der Deutschen nach dem Busunglück auf Madeira, das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft Lissabon hätten "vor dem Hintergrund des Busunglücks am Mittwoch, den 17.4., einen Krisenstab eingerichtet". Man sei "seitdem dabei, eine umfassende konsularische Betreuung der vom Unglück Betroffenen zu ermöglichen. Das beinhaltete sowohl die Entsendung eines Konsularteams der Botschaft nach Madeira als auch eines Konsularteams aus Berlin, um dort die konsularische Betreuung der Betroffenen zu gewährleisten. Die Botschaft und das Auswärtige Amt sind weiterhin durch Personal auf Madeira vertreten, um eine enge Abstimmung mit den portugiesischen Behörden über die Rückführung der Opfer nach Deutschland zu unterstützen".
In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass rund ein Dutzend der insgesamt 29 Todesopfer aus Nordrhein-Westfalen stammen sollen. Betroffen sind nach diesen Berichten die Städte Köln, Langenfeld, Euskirchen, Paderborn, Elsdorf, Pulheim und Minden.
Nicht nur im Gedenkgottesdienst präsent: Pfarrerin Ilse Everlien Berardo
Zurück zur Betreuung der Angehörigen der Unfallopfer durch die deutsche Pfarrerin. Ihre 1987 gebildete evangelische Gemeinde auf Madeira hat rund 50 Mitglieder und ist eine von den vier deutschsprachigen dieser Konfession in Portugal. Die anderen befinden sich in Lissabon, Porto und Carvoeiro an der Algarve. Auf Madeira werden zweimal im Monat Gottesdienste gefeiert. Ausgenommen davon sind die Monate August und September. Der Dienst von Pfarrerin Berardo auf Madeira geschieht seit Gründung der Gemeinde ehrenamtlich.
Von Anfang an, so liest man auf der Internetseite, fanden die deutschsprachigen evangelischen Christen auf Madeira ein Zuhause in der Kirche der Presbyterianer von Madeira, am Stadtpark Jardim Municipal in Funchal. Bei der Vorbereitung des Gottesdienstes am Sonntagnachmittag werden in der schottischen Kirche das Altarkreuz mit Korpus und große Altarkerzen aufgestellt werden. Weil die presbyterianische Gemeinde zu den Reformierten gehört, gehören Bilder und Altarschmuck nicht zu ihrer kirchlichen Tradition.
Lutheraner sind bei reformierten schottischen Presbyterianern zu Gast
„Die deutschsprachige Gemeinde versteht sich als lutherisch, da gehört das Kreuz mit Korpus dazu“, sagt Pfarrerin Berardo. Dass die reformierte und die lutherische Gemeinde so einträchtig nebeneinander Gottesdienst feierten, liege vor allem an dem „gegenseitigen respektvollen Umgang mit der Tradition des anderen“.
Nur einige Mitglieder der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde leben das ganze Jahr über auf der Insel. „Viele sind ‚Zugvögel‘, die die Wintermonate auf Madeira verbringen, den Sommer aber in Deutschland“, berichtet die Geistliche. Zu jedem Gottesdienst kämen auch deutschsprachige Touristen – „Menschen, die gerade im Urlaub den Zuspruch Gottes suchen“, so Berardo.
Der „Kirchenkaffee“ nach dem Gottesdienst ist nach ihren Worten ein wichtiger Bestandteil der kirchlichen Gemeinschaft: „Liturgie und Predigt, Gesang und Orgelspiel und danach ein Gespräch bei Tee oder Kaffee bieten ein Stückchen Heimat – emotionale Heimat und geistliche Heimat“.
Seit einigen Jahren gehört zum Gemeindeleben der DEKM auch ein Gesprächskreis. Zu ihm treffen sich meistens zehn bis fünfzehn Personen, und besprechen in privater Umgebung und geschützter Runde ein biblisch orientiertes Glaubens-Thema. Zudem werden viele ökumenische Kontakte gepflegt.
Evangelische, katholische und Neuapostolische Kirche auf Madeira
Neben der katholischen und der evangelischen Kirche ist auf der Insel Madeira zum Beispiel auch die Neuapostolische Kirche (NAK) vertreten. Einheimische und Urlaubsgäste versammeln sich sonntags um 10 Uhr im Ort Machico in der Rua Padre Pontes, Lote 1. Die Gemeinde ist mit einer Satelliten-Empfangsstation ausgerüstet, durch die die Gläubigen auch an Übertragungen internationaler Gottesdienste der NAK teilnehmen können. Ihr Name lautet auf Portugiesisch "Igreja Nova Apostólica".