Draht­seil­akt zu Ostern: Welt­klas­se-Artis­tin balan­ciert über Aljezur

Letztes Jahr der Montmartre-Hügel in Paris und zu Ostern 2019 jetzt Aljezur an der West-Algarve: Tatiana Mosio Bongonga liebt den Drahtseilakt und lehrt ihn in Workshops.
Drahtseilakt von Tatiana Mosio Bongonga. Ostern 2019 tritt sie an der Algarve in Aljezur aufDrahtseilakt von Tatiana Mosio Bongonga. Ostern 2019 tritt sie an der Algarve in Aljezur auf

Tatiana Mosio Bongonga tritt Ostern 2019 an der Algarve in Aljezur auf. Foto: Emilie Pecunia

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Einen gewag­ten Draht­seil­akt an der Algar­ve führt Oster­sonn­tag, 21. April, die fran­zö­si­sche Welt­klas­se-Hoch­seil­ar­tis­tin Tatia­na-Mosio Bon­gan­go durch – von 14 bis 19 Uhr am Strand Pra­ia da Amorei­ra in Alje­zur. Im Inter­view mit "Algar­ve für Ent­de­cker" erzählt die gebür­ti­ge Afri­ka­ne­rin über ihr Ver­hält­nis zur Angst, wie Musik sie in 30 Metern Höhe in der Balan­ce hält und wel­che Rol­le Kos­tü­mie­rung in ihrer Show "Tra­ver­sée" spielt.

 

Posiert vor einem Work­shop in Mon­chi­que für den Algar­ve für Ent­de­cker-Foto­gra­fen: Welt­klas­se-Artis­tin Tatia­na Mosio Bon­gon­ga von der fran­zö­si­schen Com­pa­gnie Basin­ga. Fotos: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Fra­ge: Wofür steht der Name Basin­ga, den Sie Ihrer Artis­ten-Trup­pe gege­ben haben?

Bon­gon­ga: Basin­ga bedeu­tet in mei­ner Mut­ter­spra­che Lin­ga­la so viel wie Sei­le bzw. Ver­bin­dun­gen, Brü­cken. Lin­ga­la wird unter ande­rem in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go gespro­chen. Der Name passt also gut zur Iden­ti­tät und zum Wil­len des Unter­neh­mens, Men­schen zu tref­fen und zu ver­sam­meln, die sich für die beson­de­re Akti­vi­tät des Balan­cie­rens auf dem Hoch­seil interessieren.

Die Basin­ga-Band beglei­tet die Work­shops an der Algarve

Fra­ge: Wo ist der Sitz Ihres Unter­neh­mens in Frankreich?

Bon­gon­ga: Wir kom­men aus einem Ort namens Sauve am Fuße der Ceven­nen-Ber­ge zwi­schen Nimes und Mont­pel­lier in Süd­frank­reich. Eini­ge von uns leben dort oder in der Nähe, aber ande­re kom­men aus ande­ren Tei­len Frank­reichs, von der Atlan­tik­küs­te bis zu den Alpen, vom Nor­den bis zum Süden

Fra­ge: Waren Sie schon ein­mal beruf­lich in Portugal?

Bon­gon­ga: Ja, unse­re Basin­ga-Com­pa­gnie trat 2016 in Lis­sa­bon beim Fes­ti­val "Todos" auf. Und im ver­gan­ge­nen Jahr nah­men wir an einem Fes­ti­val teil, das in Por­to von der Fun­da­ção Ser­ral­ves orga­ni­siert wur­de. Eini­ge unse­rer Künst­ler und Tech­ni­ker haben bereits mit ande­ren Unter­neh­men in Por­tu­gal zusam­men­ge­ar­bei­tet, und alle schei­nen glück­lich zu sein, wie­der hier­hin ins Land zukommen.

Fra­ge: Haben Sie in Por­tu­gal auch schon­mal einen Urlaub verbracht?

Bon­gon­ga: Natür­lich, das haben eini­ge von uns bereits getan, vor Kur­zem oder auch län­ger zurückliegend.

Fra­ge: Ken­nen Sie eigent­lich so etwas wie Angst, wenn Sie übers Hoch­seil lau­fen? Die Bil­der von Ihrem Auf­stieg auf den Mont­mart­re-Hügel in Paris waren ja atemberaubend…

 

Sie kennt kei­ne Angst beim Drahtseilakt

 

Bon­gon­ga: Angst wäre nicht die rich­ti­ge Vor­aus­set­zung fürs Balan­cie­ren übers Hoch­seil. Wenn ich Angst hät­te, wür­de ich nicht raus­ge­hen. Natür­lich gibt es ein Bewusst­sein dafür, wie hoch man läuft, aber genau das hilft, siche­re Schrit­te zu tun. Hoch­seil­ar­tis­tik ist mein Beruf und mei­ne Lei­den­schaft, des­halb habe ich jah­re­lang trai­niert. Ich gehe ein Risi­ko ein, aber kein grö­ße­res als beim Auto­fah­ren. Abge­se­hen davon, dass beim Fah­ren eines Autos die Auf­merk­sam­keit nach­las­sen kann. Auf dem Seil jedoch kon­zen­triert sich der Kör­per, der sich so hoch über dem Boden befin­det, auto­ma­tisch auf die gesam­te Umge­bung und auf alles, was ihm hilft, sicher auf die ande­re Sei­te zu kommen.

 

Die Hoch­seil-Artis­tin Tatia­na Mosio Bon­gon­ga und ihr Basin­ga-Team arbei­ten gern mit den Kin­dern aus der länd­li­chen West-Algar­ve. Sie loben deren Körperkontrolle

 

Fra­ge: War­um benut­zen Sie kein Sicherheitskabel?

Bon­gon­ga: Ich trä­ge in mei­nem Kos­tüm eine Ret­tungs­lei­ne, die mir die Mög­lich­keit gibt, mich am Hoch­seil fest­zu­ma­chen, wenn sich die Bedin­gun­gen wäh­rend des Laufs dras­tisch ändern. Aber wenn ich aufs Seil gehe, sind immer drei Bedin­gun­gen erfüllt: Das Set­up ist getes­tet und gut, die Wet­ter­be­din­gun­gen sind in Ord­nung und auch mei­ne men­ta­le und phy­si­sche Ver­fas­sung sind gut. Dann kann ich begin­nen, übers Hoch­seil zu balan­cie­ren, ohne mich irgend­wo fest zu machen. Ich ver­glei­che das oft mit Men­schen, die Schwim­men gelernt haben. Wenn die Bedin­gun­gen gut sind und sich nicht ändern, wird wohl nie­mand mit einer Schwimm­hil­fe ins Was­ser gehen.

 

"Beim Draht­seil­akt lässt mich nichts die Kon­trol­le verlieren"

 

Redak­teur Hans-Joa­chim All­gai­er bekommt Pro­fi-Trai­ning von Tatia­na Mosio Bon­gon­ga. Foto: privat

Fra­ge: Wie kamen Sie mit Hoch­seil-Artis­tik in Kon­takt? Was ist ihr beruf­li­cher Hintergrund?

Bon­gon­ga: Ich habe in mei­ner Hei­mat­stadt mit dem Balan­cie­ren auf dem Hoch­seil begon­nen. Ich habe jeman­den gese­hen, der auf einem Kabel trai­niert hat, das zwi­schen zwei Gebäu­den gespannt war. Und ich woll­te das Glei­che tun. Es war bele­bend und wich­tig für mich. Ich war damals sie­ben Jah­re alt, als ich eine Frau sah, die in der Nähe mei­nes Wohn­or­tes in der Nor­man­die einen Draht­seil­akt voll­führ­te. Da woll­te ich auch unbe­dingt über solch ein Kabel lau­fen. In mei­ner Stadt gab es eine Schu­le, die auf Hoch­seil­ar­tis­tik spe­zia­li­siert ist. Als ich acht Jah­re alt war, habe ich dort mit Unter­richt begon­nen. Spä­ter, als Jugend­li­che, begann ich Psy­cho­lo­gie zu stu­die­ren. Mei­ne Vor­stel­lung war, dass ich mit Men­schen arbei­ten woll­te. Aber das Hoch­seil aus Draht hat mich zu sich zurück­ge­ru­fen. Ich been­de­te mein Stu­di­um und ging an pro­fes­sio­nel­le Zir­kus-Schu­len in Mont­pel­lier und Cha­lons en Cham­pa­gne. Dort mach­te ich 2008 mei­nen Abschluss. Seit­dem arbei­te­te ich als pro­fes­sio­nel­le Hoch­seil­ar­tis­tin in ver­schie­de­nen Unter­neh­men. Im Jahr 2014 haben wir dann Cie Basin­ga gegründet.

Und was ist, wenn eine Flie­ge Sie mal stö­ren sollte?

Fra­ge: Was wäre, wenn eine Flie­ge oder ein ande­res Insekt sie bei einem Ihrer Spa­zier­gän­ge übers Hoch­seil stö­ren wür­de? Ist das schon passiert?

Bon­gon­ga: Nichts stört mich. Ich habe über­haupt kein Pro­blem mit Insek­ten oder etwas ande­rem, wenn ich übers Hoch­seil balan­cie­re. Ich behal­te die Kon­trol­le und ich blei­be entspannt.

Fra­ge: Wie wich­tig ist für Sie die Musik? Wel­che Rol­le spielt sie wäh­rend der Shows?

Bon­gon­ga: Musik ist wäh­rend mei­ner Shows sehr wich­tig. Es gibt einen ech­ten Aus­tausch zwi­schen den Musi­kern und dem, was auf dem Hoch­seil pas­siert. Musik bringt mich dazu, mich auf dem Kabel vor­wärts zu bewe­gen und mei­ne Bewe­gun­gen ver­än­dern wiedrum die Musik, die von unten kommt. In man­chen Momen­ten bin ich es, die zum Tan­zen ani­miert, in ande­ren Momen­ten sind es die Musi­ker unten am Boden. Die Prä­senz und die Stand­or­te der Musi­ker geben mir oft die Mög­lich­keit, den Raum, durch den ich mich bewe­ge, anders zu sehen und zu hören.

Fra­ge: Wie schafft man es, ein Orches­ter, eine Band haupt­säch­lich aus Ein­hei­mi­schen zusammenzustellen?

 

Beim Draht­seil­akt in Alje­zur machen Zuschau­er die Musik

 

Ooo­opss! Auch eine Welt­klas­se-Artis­tin muss sich manch­mal wie­der ins rech­te Lot bringen…

Bon­gon­ga: Unser Pro­jekt "Tra­ver­sée" in Alje­zur und Mon­chi­que ist eins, bei dem wir uns als Com­pa­gnie so oft wie mög­lich mit der ört­li­chen Bevöl­ke­rung tref­fen und aus­tau­schen wol­len. Um dies zu errei­chen, ver­su­chen wir, durch Work­shops in Alje­zur und Mon­chi­que und unse­re Prä­senz vor Ort Gele­gen­heit zu geben, an einem Aben­teu­er teil­zu­neh­men. Wir laden die Men­schen – zum Bei­spiel auch Feu­er­wehr­leu­te und Schü­le­rin­nen und Schü­ler – ein, auf Sei­len zu gehen, mit uns zu musi­zie­ren, sich Kos­tü­me aus­zu­den­ken, das Kabel für den "Spa­zier­gang" auf­zu­bau­en und zu stabilisieren. 

Einer unse­rer vier Musi­ker, Adri­en, ist nicht nur Saxo­pho­nist, son­dern auch Maes­tro und eine Art Koch. Durch die offe­ne Aus­schrei­bung des Pro­jekts "Lav­rar o Mar", geför­dert vom Kul­tur­pro­gramm 365 Algar­ve, konn­ten wir etwa 15 Musi­ke­rin­nen und Musi­ker unter­schied­li­chen Alters und Hin­ter­grunds zusam­men­zu­brin­gen. Sie haben wäh­rend meh­re­rer Pro­ben mit Rémi, einem Musi­ker aus dem Lav­rar o Mar-Team, mit Adri­en und den ande­ren Basin­ga-Musi­kern dar­an gear­bei­tet, sich auf ihre Rol­le inner­halb der ori­gi­nel­len Musik­dar­bie­tun­gen der Show vorzubereiten.

 

Video zum Draht­seil­akt von Tatia­na-Mosio Bon­gon­ga am 21. Juli 2018 am Mont­mart­re in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt Paris

 

 

Fra­ge: Wor­in besteht für Sie der Unter­schied zwi­schen einem Gang auf den Mont­mart­re-Hügel in Paris und einem an der Algarve?

Bon­gon­ga: Ich weiß es, offen gesagt, nicht. Alles oder nichts ändert sich. Es ist immer die glei­che Ver­bin­dung zwi­schen zwei Punk­ten, aber die Land­schaft, die Men­schen, die Musik sind unter­schied­lich. Also: Es ist anders, aber auch gleich…

Fra­ge: Wie wich­tig sind die Reak­tio­nen des Publi­kums für Sie und das gesam­te Team?

Bon­gon­ga: Für uns alle ist es wich­tig, die­se Momen­te gemein­sam zu erleben.

 

Hier, nahe dem Pra­ia da Amorei­ra bei Alje­zur, wird zu Ostern das Hoch­seil in 27 Metern Höhe gespannt sein. Foto: Djey­la Roz

 

Draht­seil­akt in Alje­zur: 150 Meter lan­ges Kabel in 27 Metern Höhe

 

Fra­ge: Wie vie­le Meter über dem Boden wer­den Sie das Seil in Alje­zur installieren?

Bon­gon­ga: In Alje­zur wird das Lauf­seil etwa 150 Meter lang sein und in einer maxi­ma­len Höhe von rund 27 bis 30 Metern gespannt sein. Die Stre­cke führt von Hügel zu Hügel über ein Tal in der Nähe des Stran­des, von wo aus das Publi­kum die Per­for­mance ver­fol­gen kann.

Fra­ge: Wie wird das Seil befes­tigt? An Fel­sen oder Bäu­men? Es ist eine san­di­ge Gegend.….

Bon­gon­ga: Wir arbei­ten in einem Natio­nal­park. Also müs­sen wir noch auf die Geneh­mi­gung unse­res Stell­plans war­ten. Die Idee ist, den Draht am Berg zu befes­ti­gen, indem wir Metall­pfäh­le, also län­ge­re Nägel, wie sie für gro­ße Zel­te ver­wen­det wer­den, mit der Hand in den Boden trei­ben. Wegen der san­di­gen Bedin­gun­gen wer­den wir wahr­schein­lich vie­le davon benö­ti­gen. Aber wir wer­den nicht den Strand selbst oder die Dünen nüt­zen, denn die sind ein stark geschütz­tes Gebiet.

 

Tatia­na Mosio Bon­gon­ga von der Com­pa­gnie Basin­ga schau­kelt das Gan­ze mit Humor und Gelassenheit.

 

Fra­ge: Was kön­nen Sie uns über die Kos­tü­me ver­ra­ten, die jeder mit­hel­fen kann, für die Ver­an­stal­tung in Alje­zur vor­zu­be­rei­ten – vom 8. bis 20. April täg­lich im Espa­ço + in Alje­zur und vom 10. bis 12. April im Casa dos Avós in Mon­chi­que?

Bon­gon­ga: Die zu "Tra­ver­sée" gehö­ren­den Kos­tü­me wer­den von der Desi­gne­rin Solen­ne Cap­mas ent­wor­fen. Sie führt zwei Wochen vor dem Auf­tritt am 21. April einen offe­nen Work­shop in Alje­zur durch. Die Kos­tü­me befin­den sich immer in einer fort­wäh­ren­den Wei­ter­ent­wick­lung, da die Work­shop-Teil­neh­mer ihre per­sön­li­che oder regio­na­le Note hin­zu­fü­gen kön­nen, indem sie Tei­le kre­ieren, die hin­zu­ge­fügt wer­den. Dafür haben wir viel Wol­le, Stof­fe, Far­be und – vor allem – Zeit… Tra­ver­sée wur­de erst drei­mal ver­an­stal­tet, so dass jeder Ort eine Spur in unse­rem Klei­der­schrank hin­ter­las­sen hat. Wir sind gespannt, was hier in Por­tu­gal pas­sie­ren wird!

Hans-Joachim Allgaier: Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber
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