Hono­rar­kon­sul der Algar­ve im Visier

Kein Ruhmesblatt im investigativen Journalismus: Einige Medien nehmen u.a. den deutschen Honorarkonsul der Algarve, Dr. Alexander Rathenau, ins Visier - wegen Offshore-Gesellschaften. Doch die Story ist dünn, hat Fehler. Hier das Gesamtbild.
Ins Visier einiger Medien geriet der deutsche Honorarkonsul für Algarve und AlentejoIns Visier einiger Medien geriet der deutsche Honorarkonsul für Algarve und Alentejo

Deutsches Honorarkonsulat in Lagos an der Algarve. Foto: Hans-Joachim Allgaier

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Der deut­sche Hono­rar­kon­sul für die Algar­ve und den Alen­te­jo, Dr. Alex­an­der Rathen­au, ist von Medi­en in eine Rei­he mit Kol­le­gen aus meh­re­ren Län­dern gestellt wor­den, die angeb­lich „ins Off­shore-Busi­ness ver­strickt“ sein sol­len. Wir haben Rathen­au am Wochen­en­de gleich dar­auf ange­spro­chen und recher­chiert, ob es nach­voll­zieh­ba­re Grün­de dafür gibt, dass er ins Visier eini­ger weni­ger Medi­en geriet.

Es sind Recher­chen des Baye­ri­schen Rund­funks (BR) mit der Süd­deut­schen Zei­tung (SZ), auf denen die Arti­kel beru­hen, die sowohl auf der Web­sei­te der Tages­schau wie auch der des BR ver­öf­fent­licht sind; zudem selbst­ver­ständ­lich in der SZ (Frei­tag, 22. Juni). Auf­ge­zeigt wird dar­in nach eige­nen Anga­ben, „wie deut­sche Hono­rar­kon­suln in Steu­er­pa­ra­die­sen Geschäf­te machen“. Das Aus­wär­ti­ge Amt sei“ ahnungs­los“ gewe­sen, heißt es.

 

Dr. Alex­an­der Rathen­au im Hono­rar­kon­su­lat in Lagos an der Algar­ve. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Nicht nur Alex­an­der Rathen­au im Visier

Die Autoren Pia Dan­gel­may­er und Maxi­mi­li­an Zie­rer neh­men in ihrem Bei­trag nicht nur Hono­rar­kon­suln in Nas­sau (Baha­mas), im Fürs­ten­tum Mona­co und auf der Süd­see­insel Vanua­tu ins Visier, son­dern auch zwei in Por­tu­gal. Neben dem seit 2017 von Lagos an der Algar­ve aus täti­gen Rathen­au wird auch Ricar­do Dumont dos San­tos aus Fun­chal auf der por­tu­gie­si­schen Atlan­tik­in­sel Madei­ra erwähnt. Er ist seit Mai 2017 nicht mehr als deut­scher Hono­rar­kon­sul tätig.

Der Abschnitt über den Hono­rar­kon­sul für die Algar­ve und den Alen­te­jo beginnt mit der Über­schrift „Wer­bung für Steu­er­flucht auf You­Tube“. Die Autoren gehen auf den You­Tube-Kanal von Alex­an­der Rathen­au ein. Die Sta­tis­tik zeigt: 83 Nut­zer haben den Kanal abon­niert. Und bloß vier maxi­mal sie­ben­mi­nü­ti­ge Vide­os sind zu sehen, dar­un­ter eins über Moun­tain­bi­king an der Algar­ve. Ein ande­res, das nur gut zwei Minu­ten lang ist, zeigt Sze­nen von der Ver­ei­di­gung Rathen­aus als neu­er Hono­rar­kon­sul. Gut 800 mal ist es bis­lang gese­hen wor­den. Ein wei­te­res Video trägt den Titel „Wer nach Por­tu­gal zieht, zahlt kei­ne Steuern“.

Der Vor­spann weist es als ein Video der Kanz­lei aus, die Rathen­au in Lagos betreibt, gleich neben dem Hono­rar­kon­su­lat. Knapp sie­ben Minu­ten lang beant­wor­tet der Anwalt und Advo­ga­do Rathen­au sechs Fra­gen zu dem steu­er­li­chen Son­der­sta­tus als „resi­den­te não habi­tu­al“. Er gewährt Rent­nern, die ihren Wohn­sitz und ihr Ver­mö­gen nach Por­tu­gal ver­la­gern, zehn Jah­re lang Steu­er­frei­heit. Dabei han­delt es sich um ein Pri­vi­leg, das die por­tu­gie­si­sche Regie­rung unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen und ganz legal sol­chen ver­mö­gen­den Per­so­nen ein­räumt, die sie damit zu Inves­ti­tio­nen, z.B. in Immo­bi­li­en, im Lan­de bewe­gen möch­te. „Ein por­tu­gie­si­sches Erfolgs­mo­dell“, wie Rathen­au betont.

 

Recher­cheu­re neh­men Off­shore-Prak­ti­ken ins Visier

Die inves­ti­ga­tiv vor­ge­hen­den Recher­cheu­re gehen dar­auf ein und erklä­ren, auf sei­ner im Video (bis­lang mehr als 9.100 Abru­fe) ange­ge­be­nen Web­sei­te wer­de Rathen­au dann „kon­kre­ter“. „Er wirbt mit der Anony­mi­tät und den Steu­er­vor­tei­len von Off­shore-Fir­men“, schrei­ben Dan­gel­may­er und Zie­rer. Doch „wirbt“ Rathen­au damit wirk­lich? Auf sei­ner Web­sei­te fin­den wir den im Bei­trag des BR zitier­ten einen Satz, der sich um Hil­fe bei der ein­fa­chen Grün­dung von Off­shore-Gesell­schaf­ten dreht, nicht. Aller­dings zeigt ein Blick ins Archiv https://archive.org, dass eine frü­he­re Ver­si­on der Kanz­lei-Web­sei­te die­sen Satz tat­säch­lich anzeigte.

Das ist dann auch schon alles, was zum Ver­hal­ten Rathen­aus gesagt und ins Visier genom­men wird. Es fol­gen eini­ge all­ge­mei­ne Aus­sa­gen zum Kon­su­lar­ge­setz. Es ver­pflich­te Hono­rar­kon­suln, „das Anse­hen und die Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nach bes­ten Kräf­ten zu schüt­zen und zu för­dern“. Der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Fabio De Masi von der Links­par­tei sehe “bei meh­re­ren Hono­rar­kon­suln einen mas­si­ven Interessenskonflikt“.

Ob De Masi dies auch auf Rathen­au bezieht, wird nicht rich­tig deut­lich. Jeden­falls for­dert er, „in einer solch her­aus­ge­ho­be­nen Tätig­keit soll­te man jeden anrü­chi­gen Ver­dacht ver­mei­den, um den Anfor­de­run­gen des Kon­su­lar­ge­set­zes zu genü­gen und auch das Anse­hen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu wah­ren.“ Der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te weist dar­auf hin, dass die Bun­des­re­gie­rung immer wie­der beto­ne, sich gegen inter­na­tio­na­le Steu­er­ver­mei­dung ein­zu­set­zen. Inso­fern scha­de es den Inter­es­sen der Bun­des­re­gie­rung, „wenn dann mit der Visi­ten­kar­te der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land Steu­er­ver­mei­dung erleich­tert wird“.

 

Hono­rar­kon­sul trennt zwi­schen Ehren­amt und Anwaltstätigkeit

Wer Rathen­au kennt, weiß, dass er die Arbeit von Anwalts­kanz­lei und Hono­rar­kon­su­lat in Lagos trennt. In einem Inter­view mit „Algar­ve für Ent­de­cker“ hat er das auch betont, nach­zu­le­sen in unse­rem Bei­trag „So hilft der deut­sche Hono­rar­kon­sul“. Das Schild mit dem Bun­des­ad­ler, auf das der Bericht des BR anspielt, hängt nicht an der Wand sei­ner Anwalts­kanz­lei, son­dern neben­an, am Ein­gang zu den sepa­ra­ten Räu­men des Hono­rar­kon­su­lats, das auf der­sel­ben Eta­ge residiert.

 

Zwar im sel­ben Haus und auf der­sel­ben Eta­ge, aber räum­lich sau­ber getrennt: Deut­sches Hono­rar­kon­su­lat und die Anwalts­kanz­lei von Dr. Alex­an­der Rathen­au. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Sowohl der deut­schen Bot­schaft in Lis­sa­bon wie auch dem Aus­wär­ti­gen Amt in Ber­lin war bei der Ernen­nung Rathen­aus zum Hono­rar­kon­sul wohl­be­kannt, dass der Jurist vor allem auch im Immo­bi­li­en- und Steu­er­recht tätig ist. Als regel­mä­ßi­ger Kolum­nist für das monat­lich erschei­nen­de deut­sche Print­ob­jekt „Ent­de­cken Sie Algar­ve“ behan­delt der Anwalt und Advo­ga­do regel­mä­ßig ent­spre­chen­de The­men. Im Archiv kann zum Bei­spiel ein Arti­kel Rathen­aus aus dem Jahr 2010 nach­ge­le­sen wer­den, der den Titel trägt: „Off­shore-Gesell­schaf­ten: Straf­be­steue­rung in 2011“. Vier­mal so vie­le Off­shore-Arti­kel, die im Zeit­schrif­ten­ar­chiv zu fin­den sind, stam­men übri­gens aber aus der Feder eines ande­ren Kolum­nis­ten und Rechtsanwalts.

 

Der ins Visier Genom­me­ne stimm­te sich mit Aus­wär­ti­gem Amt ab

Offen­sicht­lich ist: Die Autoren argu­men­tie­ren da, wo sie Rathen­au ins Visier neh­men, auf sehr dün­ner Fak­ten­ba­sis. Ein Inter­es­sens­kon­flikt zwi­schen sei­ner Hono­rar­kon­sul- und Anwalts­tä­tig­keit wird ledig­lich sug­ge­riert, aber nicht schlüs­sig dar­ge­legt und vor allem nicht an Fall­bei­spie­len bewie­sen. In dem ange­führ­ten Anwalts­vi­deo auf sei­nem pri­va­ten You­Tube-Kanal erläu­tert Rathen­au ledig­lich ein lega­les, vom por­tu­gie­si­schen Staat geför­der­tes Steu­er­spar-Modell für Aus­län­der, die ins Land zu zie­hen bereit sind. Das hat über­haupt nichts mit Tricks und mit einem Steu­er­pa­ra­dies zu tun, des­sen Seg­nun­gen „mit der Visi­ten­kar­te der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land“ ver­mit­telt wür­den. Und wenn der Steu­er- und Immo­bi­li­en­an­walt Rathen­au von Man­dan­ten auf das The­ma „Offshore“-Gesellschaften ange­spro­chen wird, erwar­ten die­se doch sicher eine kor­rek­te Bera­tung zu Vor- und Nach­tei­len. Selbst als die Web­sei­te der Kanz­lei Rathen­aus noch in der Rubrik „Gesell­schafts­recht“ den Hin­weis auf Off­shore-Gesell­schaf­ten ent­hielt, konn­te dar­aus nicht unbe­dingt ein Pro­pa­gie­ren, ein „Wer­ben“ mit die­sem Modell her­aus­ge­le­sen werden.

Mit Rathen­au konn­ten wir nach Erschei­nen des Berichts kurz tele­fo­nie­ren. Er ist von der Tona­li­tät und Ten­denz des Berichts betrof­fen, der ihn zusam­men mit ande­ren Hono­ra­kon­suln ins Visier nimmt, woll­te aber kei­ne sepa­ra­te, eige­ne Stel­lung­nah­me abge­ben. Er berief sich auf eine Abspra­che mit dem Aus­wär­ti­gen Amt. Die­ses will, da gleich fünf Hono­rar­kon­suln nament­lich ange­spro­chen sind, aus Sicht der Bun­des­re­gie­rung zen­tral ant­wor­ten. Rathen­au ver­sprach, unse­re Anfra­ge nach einem State­ment an Ber­lin wei­ter­zu­lei­ten. Er konn­te aber kei­nen Zeit­punkt in Aus­sicht stel­len, zu dem die offi­zi­el­le Stel­lung­nah­me die Redak­ti­on von „Algar­ve für Ent­de­cker“ erreicht. Nach­dem sich das Aus­wär­ti­ge Amt bis Mon­tag­abend nicht gemel­det hat, ver­öf­fent­li­chen wir aus Grün­den der Aktua­li­tät nun zunächst den bis heu­te recher­chier­ten Sachverhalt.

Recht all­ge­mein hieß es bereits in dem Bei­trag von BR und SZ auf der Web­sei­te nur: "Das Aus­wär­ti­ge Amt … hat ange­kün­digt, die recher­chier­ten Fäl­le zu über­prü­fen". Aus einer ent­spre­chen­den Ant­wort aus Ber­lin wird nur die­ser Satz zitiert: "Im Lich­te der Ergeb­nis­se der Prü­fung sind gege­be­nen­falls wei­te­re Schrit­te einzuleiten."

 

Im Visier: Skan­da­li­sie­ren­de Berich­te mit gro­ben hand­werk­li­chen Mängeln

Eine Nach­be­mer­kung sei gestat­tet: Von inves­ti­ga­ti­vem Jour­na­lis­mus, beson­ders bei Betei­li­gung einer öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stalt, darf höchs­te Sorg­falt und Qua­li­tät erwar­tet wer­den. In die­ser Hin­sicht bleibt der Bei­trag über die Hono­rar­kon­suln, soweit er die Algar­ve betrifft, weit unter unse­ren Ansprüchen.

Ähn­li­ches hat­ten wir übri­gens schon fest­stel­len müs­sen, als Mit­te Janu­ar das NDR-Ver­brau­cher­ma­ga­zin „Markt“ glaub­te, mit einer Mikro­plas­tik-Sto­ry Kun­den auf­schre­cken zu sol­len. Wir berich­te­ten dar­über in unse­rem Arti­kel „Mikro­plas­tik in jedem Fleur de Sel?“. Skan­da­li­siert wer­den soll­te (ver­mut­lich aus Quo­ten- und Reich­wei­te-Grün­den), dass man­che Edel­sal­ze mehr Mikro­plas­tik-Spu­ren ent­hal­ten als nor­ma­les Meer­salz. Völ­lig aus­ge­blen­det wur­de hin­ge­gen, dass Ver­brau­cher pfund­wei­se Fisch kon­su­mie­ren (der Mikro­plas­tik ent­hal­ten kann), aber nur gramm­wei­se Salz…

Sol­che gro­ben hand­werk­li­chen Män­gel (kei­ne fak­ti­schen Bele­ge für auf­ge­stell­te Behaup­tun­gen, kei­ne kor­rek­te und ange­mes­se­ne Ein­ord­nung in Gesamt­zu­sam­men­hän­ge) fal­len gera­de im Inves­ti­ga­tiv-Jour­na­lis­mus stär­ker ins Gewicht als bei ande­ren Medi­en­pro­duk­ten. Die ARD-Ver­ant­wort­li­chen und die mit ihnen koope­rie­ren­den Tages­zei­tungs­ver­la­ge müs­sen auf­pas­sen, dass die Mar­ke ARD nicht dege­ne­riert zu einer Abkür­zung für "Alles recht dünn"…

Bei Maga­zi­nen wie dem "Focus" hat man sich fast schon an rei­ße­ri­sche Über­trei­bun­gen gewöhnt. Er ver­brei­te­te die Sto­ry aus der SZ und dem BR mit die­ser Head­line wei­ter: "Hono­rar­kon­suln im Aus­land: Hal­fen deut­sche Diplo­ma­ten dabei, Steu­ern zu hinterziehen?"

Im Vor­spann des Arti­kels heißt es: "Sie reprä­sen­tie­ren Deutsch­land und genie­ßen hohes Anse­hen: Hono­rar­kon­suln sind Halb-Diplo­ma­ten, die bei Pro­ble­men im Aus­land oft die ers­te Anlauf­stel­le für die deut­sche Bevöl­ke­rung sind. Das hält sie jedoch nicht von zwie­lich­ti­gen Geschäf­ten ab." Und dann wird als ers­tes Bei­spiel der Hono­rar­kon­sul der Algar­ve ins Visier genom­men. Bei ihm sug­ge­riert der Focus durch eine Zwi­schen­über­schrift, es gehe um "Steu­er­hin­ter­zie­hung als 'Erfolgs­mo­dell'"… Auch hier wird wie­der der Zusam­men­hang mit Rathen­aus Erklär-Video zum völ­lig lega­len und vom por­tu­gie­si­schen Staat selbst ange­bo­te­nen Steu­er­spar-Sta­tus "resi­den­te não habi­tu­al" hergestellt.
Ahnungs­lo­sig­keit, Pau­scha­li­sie­rung, Wider­sprüch­lich­keit (Diplo­mat oder Halb-Diplo­mat?), Unter­stel­lung ("zwie­lich­tig"), Unkor­rekt­heit (kon­su­la­ri­sche Tätig­keit in Lagos ungleich diplo­ma­tisch) und feh­ler­haf­te juris­ti­sche Ein­ord­nung ("Steu­er­hin­ter­zie­hung") – ein unge­nieß­ba­res Gebräu, ange­rich­tet in weni­gen Focus-Zei­len. Zum Glück haben die meis­ten seriö­sen Medi­en in Deutsch­land nicht wie das Mün­che­ner Maga­zin über­nom­men, was – die Algar­ve und Hono­rar­kon­sul Rathen­au betref­fend – "alles recht dünn" von BR und SZ auf­be­rei­tet war…
Hans-Joachim Allgaier: Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber
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