Wald­brand: War­um wüten so oft Feu­er in Portugal?

Portugal Algarve Waldbrände 2017 und 2016Portugal Algarve Waldbrände 2017 und 2016

Verdunkelter Himmel: Rauch eines Waldbrands an der Algarve. Foto: Hans-Joachim Allgaier

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Mit­ten in den Som­mer­fe­ri­en 2017 haben zwei Wald­brand-Fäl­le die Algar­ve auf­ge­schreckt. Die Rauch­ent­wick­lung im hüge­li­gen Hin­ter­land war am Mon­tag, 24. Juli, in vie­len Gebie­ten der West-Algar­ve wahr­nehm­bar. Aller­dings konn­ten die Feu­er­weh­ren die über­schau­bar gro­ßen Brän­de bei São Brás de Alpor­tel und bei Sil­ves offen­bar schnell unter Kon­trol­le bekom­men. In Ser­tã, Cas­te­lo Bran­co und Gavião im Lan­des­in­ne­ren jedoch kämpf­ten am Mon­tag immer noch mehr als 700 Feu­er­wehr­leu­te mit 230 Lösch­fahr­zeu­gen und acht Heli­ko­ptern sowie einem Canad­air-Flug­zeug gegen neu auf­ge­flamm­te Feuer. 

In Sil­ves, hier die Burg, war der jüngs­te Wald­brand schnell unter Kon­trol­le. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

War­um gibt es in Por­tu­gal so häu­fig Wald­brän­de? Nimmt deren Zahl und Schwe­re zu? Und war­um ent­wi­ckeln sich die­se gele­gent­lich so ver­hee­rend wie jüngst im Kreis Pedró­gão Gran­de, wo min­des­tens 64 Men­schen das Leben verloren?

Prof. João Guer­rei­ro, ehe­ma­li­ger Rek­tor der Uni­ver­si­tät der Algar­ve, lei­tet einen Fach­aus­schuss, der die jüngs­te Kata­stro­phe im Auf­trag der Regie­rung bis Herbst unter­su­chen soll. Hier bereits eine Zusam­men­fas­sung von vor­lie­gen­den Erkennt­nis­sen. Inter­es­sant in die­sem Zusam­men­hang ist sicher auch unser Bericht über die Wald­brand-Situa­ti­on im Sep­tem­ber 2016.

 

Wald­brand-Fak­tor 1: Euka­lyp­tus und Pinien

 

Rund ein Vier­tel des por­tu­gie­si­schen Wal­des und ein Zehn­tel der Staats­flä­che besteht aus Euka­lyp­tus­bäu­men. Sie wach­sen schnell und ver­spre­chen flot­ten Pro­fit. Zusam­men mit den weit ver­brei­te­ten Pini­en sind sie reich an Harz und sehr leicht brenn­bar. Zudem ste­hen sie weit aus­ein­an­der, sind sehr licht. Das lässt den Boden schnell aus­trock­nen und beschleu­nigt die Ero­si­on, wie Geo­bo­ta­ni­ker betonen.

Laut Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on Quer­cus pro­du­zie­ren die Baum­schu­len in Por­tu­gal rund 30 Mil­lio­nen zer­ti­fi­zier­te Euka­lyp­tus-Bäu­me pro Jahr. Sie ver­kau­fen nach Quer­cus-Infor­ma­tio­nen aber für den all­ge­mei­nen Markt und pri­va­te Eigen­tü­mer selbst dann, wenn kei­ne Geneh­mi­gung vom zustän­di­gen Insti­tut für Natur­schutz und Forst­wirt­schaft (ICNF) für eine Auf­fors­tung mit Euka­lyp­tus vorliegt.

 

Wald­brand-Fak­tor 2: Monokulturen

 

Das Hin­ter­land der Algar­ve, wie hier zwi­schen Port­imao und Mon­chi­que, kann wegen Wäl­dern und Büschen Feu­ern schnell Nah­rung geben. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Euka­lyp­tus wird für Zel­lu­lo­se-Gewin­nung und Papier­her­stel­lung benö­tigt. Das sind für Por­tu­gal wich­ti­ge Devi­sen­brin­ger.  Auch Pini­en wer­den zu Papier und Holz ver­ar­bei­tet. Zudem kann man mit Pini­en­ker­nen Geld ver­die­nen. Zur leich­te­ren Ern­te wer­den die Pini­en spe­zi­ell getrimmt. So aber spen­den sie weni­ger Schat­ten und die Brand­ge­fahr steigt.

Hin­zu kommt: Es gibt vie­le Mono­kul­tu­ren. Die sind immer schlecht. Viel bes­ser wäre es, wenn zwi­schen Euka­lyp­tus und Pini­en mehr Eichen stünden.

Ein Misch­wald ist resis­ten­ter gegen Feu­er, Stür­me und selbst gegen Schäd­lin­ge. Die meis­ten Insek­ten befal­len näm­lich nur eine spe­zi­el­le Baumart.

 

Wald­brand-Fak­tor 3: Unterholz

 

Frü­her hiel­ten Nutz­tie­re die Vege­ta­ti­on nied­rig, heu­te sprießt in den von Men­schen weit­ge­hend ver­las­se­nen Regio­nen das Unter­holz. Das führt nicht sel­ten zu ver­hee­ren­den Wald­brän­den. Das Risi­ko liegt in Por­tu­gal noch deut­lich höher als in ver­gleich­ba­ren Län­dern wie Spa­ni­en, Ita­li­en oder Griechenland.

 

Wald­brand-Fak­tor 4: EU-Förderung

 

Die EU hat in der Ver­gan­gen­heit die Auf­fors­tung in den Mit­tel­meer­län­dern geför­dert. Mehr Bäu­me sind natür­lich zunächst ein­mal etwas Gutes. Aber die Prä­mi­en wur­den oft gezahlt, ohne genau zu prü­fen, was tat­säch­lich ange­pflanzt wird. Jetzt sind die Euka­lyp­tus- und Pini­en-Bäu­me da und brei­ten sich aus.

 

Wald­brand-Fak­tor 5: Träg­heit der Politik

 

Die jet­zi­ge sozia­lis­ti­sche Regie­rung kün­dig­te zwar Maß­nah­men zur Ein­däm­mung des Euka­lyp­tus an, setz­te sie aber noch nicht um. Auch frü­he­re Poli­ti­ker wie Minis­ter­prä­si­dent José Manu­el Bar­ro­so 2003, Innen­mi­nis­ter Rui Perei­ra 2010 und Minis­ter­prä­si­dent Pedro Pas­sos Coel­ho 2013 glänz­ten nicht mit der Durch­set­zung ange­kün­dig­ter not­wen­di­ger Veränderungen.

Por­tu­gal wirkt noch immer ziem­lich über­for­dert mit der Bekämp­fung der Wald­brand-Gefähr­dung und dem Kata­stro­phen-Schutz. Sogar feh­len­de Hydran­ten und ein über­las­te­ter Wet­ter­dienst haben wohl zum Aus­maß der jüngs­ten Natur­ka­ta­stro­phe bei­getra­gen. Stark wech­seln­de Win­de begüns­tig­ten fer­ner, dass sich das Feu­er rasend schnell in alle Rich­tun­gen aus­brei­te­te, die Strom­ver­sor­gung und das Tele­fon-Fest­netz unter­brach sowie Mobil­funk-Über­tra­gungs­mas­ten außer Gefecht setzte.

Erin­ne­rung an 2016: Wegen Wald­brän­den im Bereich Mon­chi­que gab es an der Algar­ve Ver­kehrs­be­schrän­kun­gen. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Vor weni­gen Tagen mach­ten jedoch die Algar­ve-Städ­te Alje­zur, Lagos und Vila do Bis­po mit einem gemein­sa­men Ver­tei­di­gungs­plan gegen Wald­brän­de auf sich auf­merk­sam. Das Insti­tut für Natur­schutz und Forst­wirt­schaft (ICNF) geneh­mig­te die­sen abge­stimm­te Plan für die Füh­rung und Unter­stüt­zung ört­li­cher Teams, die sich im Schutz der Wäl­der engagieren.

 

Wald­brand-Fak­tor 6: Pri­va­te Besitzer

 

In por­tu­gie­si­schen Medi­en ver­wei­sen Exper­ten mitt­ler­wei­le auf grund­le­gen­de Brand­schutz-Pro­ble­me. Umge­rech­net auf die Gesamt­flä­che des Lan­des habe das Land inner­halb der Euro­päi­schen Uni­on all­jähr­lich die größ­ten Ver­lus­te durch Wald­brän­de zu ver­zeich­nen, heißt es. Ein gro­ßer Teil der Wäl­der sei in Pri­vat­be­sitz. Die Eigen­tü­mer küm­mer­ten sich oft nicht um die Vor­schrift, Zufahrts­we­ge für die Feu­er­wehr freizuhalten.

 

Wald­brand-Bekämp­fung: Mehr Kiefern?

 

Das hüge­li­ge Hin­ter­land der Algar­ve, wie hier zwi­schen Port­imao und Mon­chi­que, kann wegen Wäl­dern und Büschen Feu­ern schnell Nah­rung geben. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

In Por­tu­gal macht die Kie­fer zuneh­mend dem Euka­lyp­tus Kon­kur­renz. Sie kann, anders als die­ser, erst nach 40 Jah­ren geschla­gen wer­den, ist aber eben­falls wich­tig für die Harz­ge­win­nung. Die­se mau­sert sich in Por­tu­gal – nach rund 50-jäh­ri­ger Unter­bre­chung durch bil­li­ge asia­ti­sche Impor­te – zu einer immer wich­ti­ge­ren Ein­nah­me­quel­le der Forst­wirt­schaft. Kie­fern­harz, das wei­ße Pech, wird nach der Rei­ni­gung zum Bei­spiel zu Ter­pen­tin und Kolo­pho­ni­um wei­ter­ver­ar­bei­tet. Das sind zwei Stof­fe, die für die Her­stel­lung von Far­ben, Kos­me­ti­ka, Medi­ka­men­ten, Auto­rei­fen und Kau­gum­mi wich­tig sind.

Wie die Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on Quer­cus errech­net hat, wür­den Maß­nah­men zur bes­se­ren Ver­hü­tung von Wald­brän­den in Por­tu­gal ins­ges­samt nur 165 Mil­lio­nen Euro im Jahr kos­ten. Hin­ge­gen lie­ge die Scha­dens­hö­he für die por­tu­gie­si­sche Wirt­schaft jedes Jahr bei geschätzt rund einer Mil­li­ar­de Euro, so Quer­cus. Daher sei es zwin­gend nötig, mehr in Prä­ven­ti­on und in Umstel­lung der Wald­be­wirt­schaf­tung zu inves­tie­ren. Es gel­te vor allem, mehr ein­hei­mi­sche Baum­ar­ten zu bevorzugen.

 

Wald­brand-Ent­wick­lung im Vergleich

 

Was die Zahl der Wald­brän­de anbe­trifft, geht es Por­tu­gal wie ande­ren Län­dern. 2015 wüte­ten unge­wöhn­lich gro­ße Flä­chen­brän­de in Alas­ka und in Indo­ne­si­en. 2016 kämpf­ten Kana­da, Kali­for­ni­en und Spa­ni­en genau­so mit den Flam­men, wie auch Frank­reich und Por­tu­gal. In die­sem Jahr wur­den gro­ße Brän­de außer aus Por­tu­gal auch aus Ita­li­en, Kroa­ti­en und Mon­te­ne­gro gemeldet.

Wis­sen­schaft­ler der "Uni­on of Con­cer­ned Sci­en­tists" (UCS) gehen tat­säch­lich davon aus, dass sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten die Zahl der Flä­chen­brän­de erhöht hat. Wie die UCS fest­stell­te, tra­ten z.B. in den west­li­chen Bun­des­staa­ten der USA gro­ße Vege­ta­ti­ons­brän­de in den sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jah­ren fast fünf Mal häu­fi­ger auf. Die Brän­de zer­stör­ten über sechs Mal mehr Land als je zuvor und dau­er­ten fast fünf Mal län­ger als vor den sieb­zi­ger Jah­ren. Zudem ver­län­ger­ten sich die Zeit­räu­me hohen Flä­chen­brand-Risi­kos in den ver­gan­ge­nen 40 Jah­ren überall.

In den USA brach das Jahr 2015 hat mit einer ver­brann­ten Flä­che von mehr als vier Mil­lio­nen Hekt­ar alle Rekor­de. Die Grö­ße der Flä­che ent­spricht dem Gebiet der Nie­der­lan­de bzw. der Schweiz. Im Som­mer 2016 hielt eine gan­ze Wel­le von Wald­brän­den auch die Por­tu­gie­sen in Atem, z.B. auf der Insel Madei­ra und an der Algar­ve. Rund 350 ein­zel­ne Feu­er wur­den gezählt.

 

Wald­brand-Aus­ma­ße schlim­mer als früher

 

Flä­chen­brän­de betref­fen immer mehr Gebie­te auf der gan­zen Welt. Sogar in Sibi­ri­en und an ande­ren Orten der Welt, wo es nor­ma­ler­wei­se kei­ne Groß­brän­de gibt, tra­ten sol­che auf. Laut Pro­gno­sen der UCS könn­ten künf­ti­ge Flä­chen­brän­de bis zu sechs Mal zer­stö­re­ri­scher wer­den als bisher.

Haupt­grund für die stei­gen­de Zahl an Flä­chen­brän­den ist laut For­schern, dass der Kli­ma­wan­del mit sei­nen wär­me­ren und tro­cke­ne­ren Som­mern die Län­ge der Flä­chen­brand-Sai­son, die Grö­ße der betrof­fe­nen Gebie­te und die Zahl der Feu­er erhöht hat. Aus­lö­ser sind zwar oft Men­schen. Es kann sich aber, wie jetzt nord­öst­lich von Lis­sa­bon, auch um natür­li­che Ursa­chen wie Blitz­schlä­ge handeln.

 

Wald­brand-Gefahr durch Kli­ma­wan­del erhöht

 

Der Wind treibt den Rauch von Wald­brän­den im Hin­ter­land manch­mal zur Küs­te der Algar­ve hin. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Die welt­weit anstei­gen­den Tem­pe­ra­tu­ren füh­ren zu stär­ker Ver­duns­tung und trock­nen das Land aus. Zudem fin­det die Schnee­schmel­ze frü­her statt, so dass die Böden län­ger tro­cken blei­ben und somit anfäl­li­ger für Brän­de wer­den. Auch der vom Kli­ma­wan­del begüns­tig­te Schäd­lings­be­fall setzt den Wäl­dern zu: Län­ge­re Som­mer ermög­li­chen den Insek­ten mehr Brut­zy­klen und schnel­le­re Fort­pflan­zung. Die Feu­er brei­te­ten sich in geschwäch­ten Wäl­dern zudem schnel­ler aus und gerie­ten häu­fi­ger außer Kon­trol­le als frü­her, so Wissenschaftler.

Das größ­te Pro­blem sehen eini­ge Wis­sen­schaft­ler dar­in, dass Wald­brän­de höhe­re CO2-Emis­sio­nen zur Fol­ge haben. Denn Bäu­me neh­men Koh­len­di­oxid aus der Atmo­sphä­re auf und spei­chern es. Je mehr Bäu­me also ver­bren­nen, des­to schwie­ri­ger ist es, den Kli­ma­wan­del künf­tig zu bekämp­fen. Hier gibt es so etwas wie einen Rück­kopp­lungs­ef­fekt: Wald­brän­de sor­gen für zuneh­men­de Emis­sio­nen, die­se tra­gen zur Erd­er­wär­mung bei, und das führt wie­der­um zu mehr Feuern.

Hans-Joachim Allgaier: Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber
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