Wandern an der Costa Vicentina im Südwesten der Algarve – ein Vorwort
Am letzten Abend meines Wanderurlaubs sitze ich in einem Restaurant in Sagres (Fortsetung in Teil 2). Das ist der Ort, wo wenige Kilometer weiter westlich am Cabo de São Vicente, dem Südwestzipfel Europas, die touristisch wenig erschlossene Westküste der Algarve endet. Zu beiden Seiten Atlantik, soweit das Auge reicht. Die junge Mitarbeiterin von Delfinbeobachtungs-Booten, die mich in der Abenddämmerung beim Trampen von Vila do Bispo nach langer Tageswanderung mitnahn, hat mich dort vorbei gebracht – „willst Du mal da essen, wo die Einheimischen hingehen?“ Ich wollte, und ich hätte dieses Lokal allein nie gefunden in dem recht zersiedelten Ort am Ende Europas. Das Menue („Fisch oder Fleisch?“ – zwei Fische, ausgesucht an der Kühltheke, gegrillt, mit leckerem Tomatensalat, Brot, Kartoffeln und einer Karaffe Rotwein serviert) lecker, frisch, reichlich und fast unverschämt preisgünstig. Am Nachbartisch verzehrt eine lebhafte Runde Berge von caracóis – winzigen Schnecken, die sie mit den spitzen, getrockneten Enden von Palmblätten aus ihren Häuschen puhlen. Sie nötigen mich zum Probieren. Der Schnecken und später des ein oder anderen Getränks. Und zum Erzählen – eine Frau allein „sozinha?!“ – das fällt auf. Und was ich denn da immer schreibe? „Und schreib auch, dass Du am Ende der Welt warst.“ „Und wie schön es hier ist!“
Ja, darüber möchte ich schreiben. Über Wanderungen in einer touristisch noch wohltuend wenig frequentierten Landschaft und was einem dabei so alles begegnen kann. Dieser Abend war ein schöner und auch typischer Abschluss von 17 Tagen an der Costa Vicentina. Typisch für die vielen bereichernden, teils beglückenden Begegnungen unterwegs. Die das Wandern in einer teils fantastischen Küstenlandschaft zu weit mehr als einem Naturerlebnis gemacht haben. Typisch für die Offenheit der Menschen und ihre oft so herzliche Gastfreundschaft. Und die Bereitschaft, bisweilen auch weit vom eigenen Weg abzuweichen, um dem Gast im eigenen Land (oder auch im eigenen Haus) behilflich zu sein, Wege zu ebnen oder etwas zu zeigen.
Meine Erlebnisse lassen sich sicherlich nicht verallgemeinern. Zum einen bin ich auf meinen Wanderungen gleich von Beginn an von der geplanten Route entlang der 'Rota Vicentina' immer wieder abgewichen. Es war in diesem Juni einfach zu heiß für's Binnenland, und so habe mir meine Etappen nach Wetter und eigener Verfassung neu zusammengebastelt. Zum anderen erlebt man jede Gegend als Einzelreisende, als Frau zumal, anders als zu zweit oder in einer Gruppe. Oftmals haben mich Menschen beim 'Autostop' mitgenommen, die für einen Mann oder mehrere Wanderer erklärtermaßen nicht angehalten hätten. Auch geht man alleinreisend – ohne mitreisende(n) Gesprächspartner – auf andere Menschen sicherlich anders zu, und umgekehrt mag es genauso sein. Selten habe ich aber auf meinen Reisen und Wanderungen eine solch herzliche Offenheit erlebt wie im westlichen Teil der Algarve und, noch einmal gesteigert, dem nördlich sich anschießenden Alentejo. Davon will ich hier in Etappen – oder sollte ich sagen in Happen – schreiben, um vielleicht Appetit zu machen auf diesen portugiesischen Leckerbissen, die ein oder andere Anregung zu geben und auch auf ein paar Dinge hinzuweisen, die man sich getrost ersparen kann. Dazu eine – sicherlich sehr subjektive – 'Gebrauchsanweisung' für die 'Rota Vicentina' – einen seit 2o12 bestehenden Fernwanderweg und einiges, was so am Wege liegt und auf-gelesen werden will.
Über die Autorin:
Anne Dierking könnte man wohl als "Tausendsassa" bezeichnen. Die Norddeutsche, die seit zwanzig Jahren gemeinsam mit ihrem Mann ein Tagungshaus in Schleswig-Holstein betreibt, kann auf eine bewegte erste Lebenshälfte zurückblicken. Nach ihrem Studium der Psychologie hat sie unter anderem einige Jahre als Reiseleiterin im Ausland gelebt und gearbeitet.
Auch in ihrer Freizeit ist Anne Dierking vielfältig: ihre Leidenschaften für Reisen, Sprachen, Musik und Sport spielen für sie eine wichtige Rolle und haben sie schon in viele Regionen der Erde geführt.
Für die begeisterte Freizeit-Sportlerin ist Wandern ein ebenso wichtiger wie angenehmer Ausgleich zu einem sehr fordernden beruflichen Alltag. Wo ist sie in der Vergangenheit gewandert? "Immer am liebsten da, wo man in möglichst purer Natur ist, nicht allzu viele Leute trifft und wenig Stadtberührung hat."