Corona-Krise: Portugal erst Ende Mai am Gipfelpunkt?
Während die Kontaktsperren in ganz Portugal dämpfend auf den Anstieg der Covid-19-Infektionen zu wirken beginnen, wächst in der wichtigsten Tourismusregion, der Algarve, zu Beginn der planmäßigen Osterferien die Sorge vor einer Mißachtung der Notstandsregelung durch Inlandsurlauber. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa deutete beim Besuch einer Pharma-Fabrik an, dass der Ausnahmezustand in Portugal bei Beratungen am Dienstag vielleicht verlängert werde.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schulen des Landes wegen der Coronavirus-Pandemie bereits seit zwei Wochen geschlossen sind, nimmt im Süden die Befürchtung zu, portugiesische Touristen aus stärker betroffenen Regionen wie dem Großraum Lissabon oder dem Norden um Porto könnten zu Ostern trotz der verordneten Reiseeinschränkungen ihre Ferienwohnungen an der Algarve und im Alentejo aufsuchen.
Innenminister Eduardo Cabrita erklärte, Wochenend- und Osterreisen würden „nicht toleriert". Die Polizei prüfe verstärkt, ob unberechtigte Reisen, „vor allem in Richtung Algarve“ stattfinden. Dazu fordert die Behörden auch eine entsprechende Online-Petition auf. Sie war am Samstagnachmittag, 15 Uhr, bereits von fast. 2.700 Unterstützern unterzeichnet. Die Republikanische Nationalgarde GNR will nach Zustimmung der Datenschutz-Kommission des Landes während des Ausnahmezustands nun auch 14 Drohnen zur rein visuellen Kontrolle (ohne Tonaufnahmen) an den Grenzen und an Absperrzäunen von Quarantäne-Bezirken wie im Ort Ovar einsetzen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Gesundheitsministerin verschiebt Prognose zum Höhepunkt der Corona-Krise
- 2 Präsident besucht mitten in der Corona-Krise Pharma-Fabrik
- 3 Corona-Krise: Portugal verzeichnet 100 Todesfälle und mehr als 5.100 Infizierte
- 4 Nur solche Notstands-Fahrten sind während der Corona-Krise erlaubt
- 5 Ticker zur Corona-Krise: Aktuelle Kurzinformationen zur Lage an der Algarve und im Alentejo
Gesundheitsministerin verschiebt Prognose zum Höhepunkt der Corona-Krise
Portugals Gesundheitsministerin Marta Temido schloss sich ebenfalls dem Appell zu angemessenem Verhalten der Bürger in den Ferien auf:
„Wir müssen diesen Frühling und dieses Ostern anders leben. Wir werden nicht wie früher zusammenkommen. Aber das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir es anschließend wieder können“.
Die Politikerin bestätigte als amtliche Prognose, dass der Höhepunkt der gegenwärtigen Infektionswelle nun für „Ende Mai“ erwartet wird. Andeutungen dazu hatte am Freitag bereits die Generaldirektion Gesundheit gemacht. Die Ministerin hatte sich vor einer Woche noch hoffnungsvoll gezeigt, dass der Scheitelpunkt der Kurve bereits um den 14. April erreicht werde (siehe unser Beitrag „Portugal hofft Mitte April auf Scheitelpunkt der Corona-Kurve“).
Temido gab auf einer Pressekonferenz zu, dass Portugal "eine hohe Anzahl von Fällen von Covid-19-Infektionen“ im Land erwarte. Dies stelle "einen enormen Druck auf das Gesundheitssystem und auf uns alle" dar. Die Gesundheitsministerin versicherte, Portugals gesamter Gesundheitsdienst habe seine Einsatzbereitschaft in der Zwischenzeit weiter erhöht und reagiere. Beispiel dafür sei die jüngste Verstärkung der Schutzausrüstungen. Die Zahl von Testungen auf Covid-19 zwischen dem 1. und 26. März bezifferte Temido auf rund 40.000.
Präsident besucht mitten in der Corona-Krise Pharma-Fabrik
Pourtugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa hat am Samstag seine Landsleute aufgefordert, weiterhin die Regeln zur Eindämmung von Coronaviren zu beachten. Es handele sich um eine kontinuierliche Aufgabe aller, die Portugal aber erfolgreich leisten werde, sagte er nach einem Besuch in dem Pharmaunternehmen Hovione in Loures.
Er habe mit der Visite den daheim lebenden Portugiesen zeigen wollen, "dass es Menschen gibt, die am Wochenende im nationalen Interesse arbeiten". Der Staatschef kündigte für Dienstag ein Treffen mit Politikern und wissenschaftlichen Beratern an. Dieses werde ein Vorbereitungstreffen für die mögliche Verlängerung des Ausnahmezustands, so zitiert die Nachrichtenagentur Lusa den ersten Mann im Staate.
Corona-Krise: Portugal verzeichnet 100 Todesfälle und mehr als 5.100 Infizierte
Covid-19-Lungenerkrankungen im geographischen Vergleich
Daten vom 28. März | Algarve | Alentejo | Ganz Portugal |
Bestätigte Infektionen | 106 (+7) | 34 (+4) | 5.170 (+902) |
Todesfälle | 2 (+1) | 0 | 100 (+24) |
Quellen: DGS, ARS
Laut Bulletin der Generaldirektion Gesundheit überschritt Portugal am Samstag die Grenze von 100 Todesfällen im Zusammenhang mit Covid-19. Am Vortag hatte die Zahl der Toten noch bei 76 gelegen. Die Zahl der bestätigten Infektionen im Lande stieg um 902 auf 5.170. Es blieb bei der bisherigen regionalen Verteilung mit Schwerpunkten vor allem im Norden rund um Porto und im Großraum Lissabon.
Hier die jüngsten Angaben des regionalen Gesundheitsdienstes der Algarve vom Samstagnachmittag:
Die roten Punkte auf der Landkarte des ARS geben die Gesamtzahl der bestätigten Covid-19-Fälle pro Algarve-Kreisstadt an, die schwarzen die Todesfälle und die grünen die Zahl der als geheilt entlassenen Patienten. Das Diagramm unten rechts zeigt, dass die meisten Infektions-Fälle in den Altersgruppen der 20- bis 29- und der 60- bis 69-Jährigen zu verzeichnen sind. In beiden Gruppen dominieren die Erkrankungen von Männern. Seit dem 21. März geht die Zahl neuer bestätigter Erkrankungs-Meldungen pro Tag zurück.
Nur solche Notstands-Fahrten sind während der Corona-Krise erlaubt
Das portugiesische Innenministerium wies unterdessen darauf hin, dass im Rahmen des geltenden Ausnahmezustands wegen der Corona-Krise Bürger „nur in Ausnahmefällen“ reisen dürfen, wozu Freizeitfahrten nicht gehörten.
Hier die Liste der Ausnahmen vom allgemeinen Versammlungsverbot:
- Kauf von Waren und Dienstleistungen
- Reisen für berufliche oder ähnliche Zwecke
- Suche nach Arbeit oder wegen Vorstellungsgesprächs
- Reisen aus gesundheitlichen Gründen, wie z.B. Inanspruchnahme medizinischer Versorgung, Beförderung von Patienten oder Blutspendern
- Reisen zu Notunterkünften für Opfer von häuslicher Gewalt oder Menschenhandel, für gefährdete Kinder und Jugendliche, die sich auf Grund einer von einer Justizbehörde oder einer Kommission für Kinder- und Jugendschutz erlassenen Maßnahme in einem Wohn- oder Familienhaus befinden
- Reisen zur Betreuung schutzbedürftiger oder behinderter Personen, von Kindern, Eltern, älteren oder abhängigen Personen
- Reisen zur Begleitung von Minderjährigen und aus anderen zwingenden familiären Gründen, einschließlich der Erfüllung des Sorgerechts
- Reisen zu genehmigten Besuchen, Lieferung von lebenswichtigen Gütern an Personen mit Behinderungen oder mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit
- Teilnahme an Gerichtsverhandlungen
- Fahrten zu Postämtern, Bankfilialen, Versicherungsmaklern oder Versicherungsgesellschaften
- Kurze Ausflüge zwecks körperlicher Aktivität (kollektive körperliche Aktivität in Gruppen/Mannschaften ist jedoch verboten) oder zum Füttern und Betreuen von Tieren
- Reisen für freiwillige soziale Aktivitäten
- Reisen von Personen, die in Ausübung ihrer jeweiligen Funktionen einen gesetzlich vorgeschriebenen Ausweis mit sich führen, sowie von Mitarbeitern von diplomatischen Vertretungen, Konsulaten und internationalen Organisationen mit Sitz in Portugal, sofern sie mit der Ausübung offizieller Funktionen in Verbindung stehen
- Reisen, die für die Ausübung der Pressefreiheit notwendig sind
- Andere Aktivitäten ähnlicher Art oder aus Gründen höherer Gewalt oder zwingender Notwendigkeit, sofern sie gebührend begründet sind.
Ticker zur Corona-Krise: Aktuelle Kurzinformationen zur Lage an der Algarve und im Alentejo
Portimão: Die innerhalb von drei Tagen aufgebaute Zeltstadt für ein Covid-19-Testzentrum an der Veranstaltungs-Arena der Hafenstadt kann mangels Genehmigung durch die regionale Gesundheitsdirektion ARS noch nicht ihren Betrieb als „Drive-Thru“-Einheit aufnehmen. Das bestätigte der Direktor des privaten Biomedizinischen Zentrums der Algarve (ABC), Nuno Marques, gegenüber dem Regionalmagazin Sul Informação. ARS hatte den Aufbau eines Test-Netzwerks mit 13 über die Algarve verteilten Stationen angekündigt (wir berichteten in unserem Beitrag „Covid-19: Algarve baut Netzwerk gegen Pandemie auf“). Bürgermeisterin Isilda Gomes gab ihrer Verwunderung über die Situation Ausdruck. Parlamentsabgeordnete der sozialdemokratischen Partei PSD kritisierten die Verzögerung und verlangten die sofortige Inbetriebnahme. Problemlos scheint bisher das Screening-Center neben dem Fußballstadion Estádio Algarve (Faro/Loulé) zu funktionieren. Am Freitag wurden dort allein 100 Tests vom ABC durchgeführt. Hier wie auch an den anderen Stationen werden nur Abstriche bei Personen unternommen, die sich zuvor bei der Gesundheits-Hotline SNS24 (Telefon 800 24 24 24) angemeldet haben und einen Termin erhielten.
Die Stadtverwaltung von Portimão startete inzwischen eine Sensibilisierungsaktion für die Roma-Bevölkerung, die in der Hafenstadt hauptsächlich in den Vierteln Cruz da Parteira und Cardosas/Mira Cabo residiert. Fachleute der Behörde würden bei der Verbreitung der Informationen, z.B. zu besonderen Hygienemaßnahmen, von Polizeibeamten unterstützt, berichtet das Rathaus. Abgeraten werde zum Beispiel davon, als Gruppe in den Supermarkt oder ins Krankenhaus zu gehen bzw. öffentliche Umkleideräume mit mehreren Familienmitgliedern gleichzeitig zu nutzen.
Loulé: Die Kreisverwaltung hat am Samstag angekündigt, die Zugänge zu den Stränden und küstennahen Parkplätzen zu kontrollieren. Damit will die Behörde Menschenansammlungen vermeiden und somit einen Beitrag zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie leisten. Die Maßnahme sei auf Vorschlag des städtischen Ordnungsamtes getroffen worden, das die Situation vor Ort täglich überwache. In den vergangenen Tagen seien Spaziergänge von Gruppen in einzelnen Grüngebieten des Kreises beobachtet worden, hieß es.
Lagoa: Die Gemeinden Lagoa und Carvoeiro wollen durch die Absage von Veranstaltungen eingespartes Geld nutzen, um Schutzausrüstung für die Gesundheitszentren in beiden Orten anzuschaffen. Bürgermeister Joaquim João Paulo sagte, die Priorität sei nun, „die Bedingungen für diejenigen zu verbessern, die im Gesundheitsbereich arbeiten“. Er dankte vor allem Krankenschwestern, Ärzten, Gesundheitsfachkräften, Feuerwehrleuten und dem Sicherheitspersonal. Im ganzen Land haben sich nach Angaben der Krankenpfleger-Kammer inzwischen 1.500 Freiwillige zur Unterstützung der Nationalen Gesundheitshotline SNS24, der Intensivstationen in Krankenhäusern und bei der Hämodialyse gemeldet.
Faro: Im Universitätskrankenhaus von Faro sind, wie am Samstag das Fernsehen berichtete, Materialen für den persönlichen Schutz des medizinischen Personals verschwunden. Es wird fieberhaft nach Ersatz gesucht, vor allem für den Bereich der Notaufnahmen. Das städtische Versorgungsunternehmen Fagar (Wasser- und Abfallwirtschaft) hat unterdessen die Bevölkerung aufgerufen, ihren Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. Das Abkippen von Säcken rund um die Müllcontainer stelle ein ernsthaftes Hygieneproblem und ein Risiko für die öffentliche Gesundheit dar, heißt es in einer Mitteilung, die an Rücksichtnahme und gesunden Menschenverstand appelliert.
São Brás de Alportel: Wie im ganzen Land hat auch die Kreisverwaltung von São Brás de Alportel die Hilfe und Unterstützung für Migranten in der Corona-Krise verstärkt. Mittwochs und donnerstags von 9:30 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr stehen Experten zur Verfügung, um während der geltenden Kontaktsperre über die Telefonnummer 289 840 020 oder die E‑Mail-Adresse claim@cm-sbras.pt kontaktiert werden zu können.
Santiago do Cacém: In dem Alentejo-Landkreis sind nun drei Fälle von Infektionen mit dem Erreger der Lungenkrankheut Covid-19 registriert. Das bestätigte Bürgermeister Álvaro Beijinha am Samstag. Die Patienten befinden sich in vorsorglicher Isolation und in stabilem Zustand, so der Politiker.