Vermisste Österreicherin (28): Jetzt spricht ihr Ex-Freund
An der Algarve wächst die Ungeduld der Bevölkerung mit den Behörden bei der Suche nach der vermissten Österreicherin Julia W. (28). Viele betrachten mit Sorge, dass es bis auf eine private Plakat-Aktion praktische keine Anzeichen gezielter Fahndungsaktivitäten in dem mysteriösen Vermisstenfall am Südwestzipfel Europas gibt. Was machen eigentlich die portugiesische Polizei und die österreichische Botschaft? Julias Reisebekannter und Ex-Freund sowie ihre Cousine richten unterdessen jeweils einen flehentlichen persönlichen Appell an die Verschwundene.
Tybo G., ein 31-jähriger Belgier aus Gent, war wohl der letzte, der die junge Frau aus dem österreichischen Flachgau sah, bevor sie vor 34 Tagen, am 28. Juni, im Gebiet von Pedralva an der West-Algarve verschwand. Er, der dort an der Costa Vicentina seit längerer Zeit in einem Camper Van lebt, reichte die Vermisstenmeldung bei der republikanischen Nationalgarde GNR, der zuständigen Polizeieinheit in der Kreisstadt Vila do Bispo, ein. Jetzt kritisiert er im Gespräch mit „Algarve für Entdecker“:
„Ich kehrte am nächsten Tag zurück, um zu hören, ob sie irgendwelche Neuigkeiten hatten, da sie mich nicht angerufen oder in irgendeiner Weise kontaktiert hatten. Als ich dann fragte, was ich tun könne, lächelten sie und sagten, alles, was ich tun könne, sei warten…“
Er persönlich glaube, das sei tatsächlich auch alles, was die Beamten bisher getan hätten, fügt er sarkastisch hinzu.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Eltern und Ex-Freund trafen sich an der Algarve
- 2 Julia W. lernte späteren Freund schon im Dezember kennen
- 3 Freund brachte Julia W. im eigenen Camper Van unter
- 4 Ex-Freund fühlt sich von offiziellen Stellen allein gelassen
- 5 Ex-Freund und Cousine appellieren flehentlich an Julia W.
- 6 Bislang keine Reaktion von portugiesischer Polizei
Eltern und Ex-Freund trafen sich an der Algarve
Seit dem Wochenende seien die Eltern der 28-jährigen Österreicherin in Portugal, so Tybo G. Dienstag wurde an der Algarve gemeinsam Julias bei einem Unfall beschädigtes Fahrzeug geleert und die Angehörigen beglichen die Rechnung für das Abschleppen und Unterstellen.
Die persönlichen Sachen ihrer Tochter haben die tief besorgten Eltern dem Vernehmen nach bei einer Bekannten deponiert, wo Julia sich ihren Rucksack jederzeit abholen kann, wenn sie wieder auftaucht.
Julia W. lernte späteren Freund schon im Dezember kennen
Tybo G. traf die Grafikerin und Designerin nach eigenen Angaben schon im Dezember 2018 – an einem Arbeitsplatz bei Pedralva, wo sie auf ihrer weiten Europa-Rundreise als Freiwillige jobbte. „Ich war gerade bei einem Freund dort zu Besuch. Wir lernten uns kennen, verstanden uns bald und kamen uns sehr nahe, reisten zusammen an die Strände, besuchten Märkte und vieles mehr“, berichtet der in Brügge Geborene. Die beiden wurden gesehen, wie sie auf Märkten der Region von Julia selbst gebastelte "Traumfänger" verkauften – Weidenreifen mit Netz, die meist mit Perlen und Federn verziert sind – aber auch selbst hergestellte Lebensmittel.
Die abgelegene Gegend im Hinterland der rauen Algarve-Westküste, in der er sich aufhält, ist bei Surfern, Camping-Touristen und Wohnmobil-Nutzern besonders beliebt. Aber auch Menschen, die alternatives, einfaches und abgeschiedenes Wohnen mögen, halten sich hier in vergleichsweise hoher Dichte auf, zudem so genannte „Aussteiger“ aus vielen Ländern der Welt.
Unfall macht Camper Van von Julia W. fahruntüchtig
Zwei Wochen vor ihrem Verschwinden habe die Österreicherin mit ihrem eigenen Camper Van einen Unfall gehabt, als sie einem Tier ausweichen wollte, so Tybo G. Nach seinen Angaben blieb sie unverletzt, „ohne einen Kratzer“. Aber Julias Wagen war danach fahruntüchtig: „Das Vorderrad auf der Fahrerseite war weg“, so der Belgier. Eine gemeinsame Freundin der beiden habe Julia dann zu Tybos Camper Van gebracht.
„Natürlich nahm ich sie sofort auf, kümmerte mich um sie, servierte ihr Essen und teilte alles, was ich hatte, mit ihr, damit sie sich ein wenig getröstet und unterstützt fühlte. Ich versuchte auch, ihr bei der Regelung der Versicherungsfragen und so weiter zu helfen, während sie in meinem Van wohnte“.
Freund brachte Julia W. im eigenen Camper Van unter
Julia W. könne sich deshalb gegenüber ihm und gegenüber ihren Eltern schuldig gefühlt haben – letzteres, „weil sie ihren ersten eigenen Van zum Zusammenklappen gebracht hatte“. Hierin könnten die Gründe verborgen liegen, weshalb die Österreicherin vielleicht „gegangen“ sein dürfte, mutmaßt der Belgier: „Irgendwie muss sie wohl gemeint haben, dass es ihrem Leben besser täte, wenn sie einfach verschwinden würde“. Das sei aber nur seine Theorie, müsse also nicht der wahre Grund sein. Eine andere Hypothese geht von einer Art Psychose aus.
Vor diesem Hintergrund dürfte es zu einem Bruch in der persönlichen Beziehung des Paares gekommen sein. Offenbar entschied sich Tybo G. aber dafür, seine zeitweilige Partnerin weiter zu unterstützen.
Was alle, die mit der Suche nach Julia W. zu tun haben, irritiert, ist die Tatsache, dass sie bei ihrem Verschwinden wichtige Dinge wie Handy, Computer, Bankkarten und ihren Rucksack mit Kleidungsstücken im Camper Van von Tybo G. einfach zurückließ.
Wir berichteten darüber in unserem ersten Beitrag „Österreicherin (28) seit einem Monat an Algarve vermisst“, der am Samstag, 27. Juli, erschien.
Freund nahm Kontakt mit Familie bei Salzburg auf
Dank des Handys konnte der belgische Reisebekannte Kontakt mit Julias Mutter in der Nähe von Salzburg aufnehmen. Der Ex-Freund kommunizierte auf Englisch mit ihr, meldete sich zudem auch bei der Botschaft Österreichs in Lissabon. Tybo G., der Zugang zu Privatfotos von Julia W. hatte, erzählt Algarve für Entdecker:
„Ich bekam Hilfe von Freunden, wir druckten Poster aus und sie halfen mir, diese aufzuhängen. So kam es zur Meldung von angeblichen Sichtungen; nicht wegen der Bemühungen der Polizei, sondern wegen meiner Freunde und mir, die Stunden an Arbeit und viele Kilometer Fahrt investiert haben“.
Ex-Freund fühlt sich von offiziellen Stellen allein gelassen
Sobald sich die österreichische Botschaft engagiert habe, sei er davon ausgegangen, dass seine Arbeit beendet sein und die Fachleute übernehmen würden: „Aber abgesehen davon, dass sie die Mutter oder verschiedene Polizeidienststellen um Informationen baten, haben sie nicht wirklich viel getan. Was mich sehr überrascht…“, sagt Tybo G. Er deutet an, den Eindruck zu haben, dass man sich in Lissabon „hinter der Bürokratie und dem Protokoll versteckt“. Warum die Botschaft all dies einfach so geschehen lasse, wo doch eine junge Österreicherin vermisst sei und ein europäisches Partnerland „keinen Finger rührt, um sie zu finden“, verstehe er nicht.
Nach seinen eigenen Aussage hat die portugiesische Polizei den Belgier nur einmal befragt – als er die GNR-Wache in Vila do Bispo aufsuchte, um das Fehlen von Julia W. anzuzeigen. Er kritisiert: „Sie haben nie nach ihren Sachen gefragt, außer nach dem Van, der kostenpflichtig in einem Hangar in der Nähe geparkt wurde.“
"Ich höre nichts mehr von der Polizei", sagt Ex-Freund von Julia W.
Ehrlich gesagt wisse er nicht, ob die Polizei in irgendeine Richtung ermittle: „Ich höre nichts mehr von denen. Und wenn die Botschaft die Polizei anruft, bekomme ich keine Informationen über weitere Pläne für Suchaktionen – wohl deshalb, weil ich nicht zur Familie gehöre“, bedauert der Belgier.
Er will „mehr als ein Beispiel dafür“ registriert haben, dass es sehr lange dauere, um bei Anrufen bei der Polizei jemanden ans Telefon zu bekommen, der von dem Vermisstenfall wisse: „Das heißt, immer noch nicht sind sich alle Polizisten hier der Situation bewusst. Alles, was ich gehört habe, ist, dass sie sagen, sie würden einen Blick auf den möglichen Ort einer Sichtung von Julia werfen. Aber wir haben die Polizei hier nicht ein einziges Mal gesehen…“
Ex-Freund und Cousine appellieren flehentlich an Julia W.
Weil ihm die offiziellen Bemühungen nicht ausreichen, hat Tybo G. deshalb der Redaktion von „Algarve für Entdecker“ eine persönliche Botschaft an Julia W. übermittelt und um deren Veröffentlichung gebeten; in der Hoffnung, dass dies die Österreicherin bewegt, ein Lebenszeichen von sich zu geben:
„Liebe Julia, ich vermisse dich, wir vermissen dich! Deine Familie, deine Freunde und ich, wir alle vermissen dich und wir machen uns alle Sorgen um dich. Wir alle lieben dich so sehr und würden nicht wollen, dass dir etwas passiert. Ich möchte, dass du weißt, dass keiner von uns wütend auf dich ist oder so. Wir wollen nur wissen, dass du sicher und okay bist. Wir alle lieben dich von ganzem Herzen und wollen nur, dass du glücklich bist. Es gibt viele Leute, die dir helfen wollen (Freunde, Familie, ja so viele Menschen). Aber vor allem wollen wir wissen, dass es dir gut geht. Bitte, wenn du das siehst/liest, kontaktiere die örtliche Polizei oder deine Mutter oder irgendjemand, den du willst, nur um uns mitzuteilen, dass du sicher bist. Was auch immer der Grund war, warum du dachtest, dass du weglaufen musst: Es ist okay. Wenn du willst, können wir jedes Problem gemeinsam angehen, du und ich oder du und deine Freunde oder du und deine Familie. Was immer du willst, Julia. Solange du sicher und glücklich bist, werden wir glücklich sein. Bitte lass uns einfach von dir hören! Julia, wir lieben dich!“
Auch eine Cousine von Julia W., Elisabeth Sch., ist vor Ort und richtet per kurzer Video-Botschaft einen Aufruf an die Menschen in der Region – auf der Facebook-Seite Help Finding Julia. Alle Beobachtungen sollten der portugiesischen Polizei unter der internationalen Notrufnummer 112 gemeldet werden.
Bislang keine Reaktion von portugiesischer Polizei
Eine am Sonntagnachmittag an die Republikanische Nationalgarde GNR per E‑Mail gerichtete Anfrage der Redaktion "Algarve für Entdecker" blieb, trotzt Erinnerung am Montag, bislang ohne jegliche Antwort. Nicht einmal der nachgereichte Wunsch nach Bestätigung des Eingangs der Mail wurde bis zur Stunde erfüllt. Gerichtet war die Anfrage an die Einsatzzentrale der GNR in Lissabon, an das regionale Bezirkskommando für die Algarve in Faro und an die Pressestelle.
Am Dienstagnachmittag kontaktierten wir erneut die österreichische Botschaft in Lissabon. Dort fragten wir: Welche Informationen liegen Ihnen über den Ermittlungsstand der portugiesischen Polizei vor? Wie gut unterstützt Portugal bislang bei der Suche nach der österreichischen Staatsbürgerin?
Konsulin Daniela Boltmann reagierte innerhalb kurzer Zeit und übermittelte uns diese Informationen:
"Wie uns seitens der portugiesischen Behörden (GNR und PSP) versichert wurde, verfügen sämtliche Polizeistellen in Portugal über die Information, dass nach Fr. W. [Anmerkung der Redaktion: Die volle Namensangabe der Botschaft haben wir abgekürzt] gesucht wird. Sollte Fr. W. im Falle einer Sichtung oder im Zuge von Routinekontrollen lokalisiert werden, wird dies den verantwortlichen übergeordneten Behörden gemeldet".
Nach Julia W. wird im gesamten Schengen-Raum gesucht
Da die junge Österreicherin auch im Rahmen der Schengen-Kooperation gesucht wird, stehe das hierfür zuständige „Sirene“-Büro in Lissabon auch mit den Behörden des Heimatlandes im Kontakt und in regelmäßigem Austausch – auch zu den getroffenen bzw. zu treffenden Maßnahmen, betont die Expertin der Botschaft. Die Dienststellen an den Orten bisher gemeldeter Sichtungen schienen sensibilisiert, es habe dort auch konkrete Suchmaßnahmen gegeben.
Aber warum sind bislang keine Suchtrupps ausgesandt worden, um – etwa mit Spürhunden – nach Julia W. Ausschau zu halten? Die österreichische Konsulin in Lissabon formuliert ihre Antwort diplomatisch:
"Was weitere Maßnahmen am Ort des Verschwindens selbst betrifft, so wurde deren mögliche Durchführung von der Botschaft sowie von anderen beteiligten Personen und Institutionen gegenüber den portugiesischen Behörden angesprochen, letztendlich liegt die Entscheidungsgewalt darüber allerdings bei ebendiesen."
Österreichische Botschaft spricht auch von "Ex-Freund"
Schon am 25. Juli hatte Österreichs Konsulin Daniela Boltmann "Algarve für Entdecker" gegenüber eine "private Suchaktion des Ex-Freundes" der Vermissten bestätigt. Diese werde von der Botschaft "mittels telefonischer Kontakte sowie Beobachtung der entsprechenden Kanäle in den sozialen Medien begleitet". Online gemeldete Informationen bezüglich weiterer Sichtungen an diversen Orten in der Algarve würden an die entsprechenden Polizeidienststellen in Portugal weitergegeben bzw. der Kontakt zwischen den meldenden Personen und den Behörden hergestellt.
"Zahlreiche junge Frauen passen auf die Beschreibung"
"Bis auf die im Polizeibericht vom 29.6. festgehaltenen Informationen können alle weiteren Meldungen bzw. Sichtungen nur als bedingt aussagekräftig eingestuft werden, zumal diese bisher nicht durch weiteres Material (z.B. Überwachungskameras) gestützt werden konnten und speziell in der Gegend der Costa Vicentina sowie in der Algarve zahlreiche junge Frauen den Fotos bzw. der Beschreibung von Fr. W. entsprechen", so die Konsulin vor fünf Tagen. Aufgrund der Möglichkeit, dass sich Julia W. per Autostopp fortbewege bzw. fortbewegt habe – was durch einige Sichtungen nahe gelegt werde -, könne die Suche laut Behörden auch nicht räumlich beschränkt werden, so Boltmann am 25. Juli. Effektivstes Mittel seien derzeit die Verbreitung der Informationen zum Verschwinden der jungen Österreicherin sowie Hinweise aus der Bevölkerung.
Botschaft: Suche nach Julia W. hat "absolute Priorität" für uns
Daniela Boltmann seinerzeit wörtlich:
"Die Botschaft setzt seit ihrer Verständigung am 30.6. alles daran, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten zwischen den Behörden sowie den Eltern und sonstigen Beteiligten zu vermitteln. Neben der entsprechenden Betreuung der Eltern hat die Suche nach Fr. W. aufgrund der erschwerenden Faktoren ihres Verschwindens (zurückgelassene Habseligkeiten und Dokumente) absolute Priorität für die Botschaft."