Algar­ve kämpft – auch um Deutschland-Markt

Die Algarve sorgt sich um den Deutschland-Markt: Die Germania-Insolvenz führt zu Einbußen bei den Hotels. Wie lässt sich die Lücke von zehntausenden deutschen Gästen auffüllen?
Deutschland-Markt bleibt für die Algarve im Fokus, besonders Frankfurt/MainDeutschland-Markt bleibt für die Algarve im Fokus, besonders Frankfurt/Main

Die Algarve behält den Deutschland-Markt - hier der Flughafen Frankfurt - sorgsam im Auge. Foto: Illia Cherednychenko

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Für die Algar­ve ist Deutsch­land einer der wich­tigs­ten Tou­ris­tik­märk­te. Wie nega­tiv schla­gen da die Aus­wir­kun­gen der Ger­ma­nia-Insol­venz zu Buche? Wie gehen die Tou­ris­mus- und Hotel-Ver­bän­de sowie der Flug­ha­fen mit der Situa­ti­on um? Ers­te Antworten.

"Das ist lei­der eine wei­te­re Nach­richt, die wir gera­de nicht brau­chen", seufzt João Fer­nan­des, Prä­si­dent der Tou­ris­mus­ver­bän­de ATA und RTA in Faro. Über die Aus­lands­pro­mo­ti­on-Agen­tur ATA hat­te die Algar­ve von 2016 bis 2018 allein fast 365.000 Euro in gemein­sa­me Mar­ke­ting­ak­tio­nen mit den deut­schen Flug­ge­sell­schaf­ten Air­ber­lin, Niki und Ger­ma­nia gesteckt. In den ver­gan­ge­nen 17 Mona­ten gin­gen nun alle drei Air­lines in Kon­kurs – kurz zuvor auch der bri­ti­sche Bil­lig­flie­ger Monarch.

Über die aller­ers­ten Ereig­nis­se in Zusam­men­hang mit dem Insol­venz­an­trag von Ger­ma­nia hat­te "Algar­ve für Ent­de­cker" am 6. Febru­ar unter der Über­schrift "Ger­ma­nia-Insol­venz: Algar­ve-Flug­ha­fen Faro geschockt" berich­tet.

 

João Fer­nan­des, Prä­si­dent der Tou­ris­mus­ver­bän­de ATA und RTA. Foto: Vas­co Celio

 

Ver­liert der Algar­ve-Markt 25.000 deut­sche Flug­gäs­te oder mehr?

 

Fer­nan­des schätzt den Ver­lust an Flug­gäs­ten, die nun nicht mehr mit Ger­ma­nia-Flug­zeu­gen aus Dres­den, Münster/Osnabrück, Erfurt-Wei­mar und Nürn­berg ange­flo­gen kom­men, auf 25.000. "Das könn­te zu einem mög­li­chen Rück­gang von etwa fünf Pro­zent füh­ren, gemes­sen an der Gesamt­zahl der aus dem Markt Deutsch­land kom­men­den Algar­ve-Pas­sa­gie­re", rech­net der Ver­bands­prä­si­dent vor. Er bezif­fert die Ein­bu­ßen für den Flug­ha­fen Faro auf 0,5 Pro­zent des gesam­ten Passagieraufkommens.

Hotel-Markt feh­len jetzt 170.000 Über­nach­tun­gen und vier Mil­lio­nen Euro

Die­se Grö­ßen­ord­nun­gen bestä­tigt auch Eli­dé­ri­co Vie­gas, Prä­si­dent des regio­na­len Hotel­ver­bands AHETA. Nach sei­nen Wor­ten hat Ger­ma­nia jähr­lich zwi­schen April und Okto­ber sogar bis­lang 30.000 Flug­gäs­te an die Algar­ve beför­dert. Der über­wie­gen­de Teil, rund 25.000, sei im Rah­men von Ange­bo­ten durch Rei­se­ver­an­stal­ter ange­reist. Vie­gas bezif­fert den Ver­lust, den Hotels und Tou­ris­mus­un­ter­neh­men an der Algar­ve durch den Weg­fall der Ger­ma­nia-Pas­sa­gie­re haben, auf rund 170.000 Über­nach­tun­gen. "Das ent­spricht einem Brut­to­um­satz von vier Mil­lio­nen Euro", fügt er an.

 

Eli­der­i­co Vie­gas, Prä­si­dent des Hotel­sver­bands AHETA der Algar­ve. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Por­tu­gals Flug­hä­fen feh­len ins­ge­samt 183.000 Germania-Passagiere

 

Beim por­tu­gie­si­schen Flug­ha­fen­un­ter­neh­men ANA Aero­por­tos de Por­tu­gal, das zum Vin­ci-Kon­zern gehört, geht man davon aus, dass – gemes­sen an den Plan­zah­len für 2019 – ins­ge­samt etwa 183.000 Ger­ma­nia-Pas­sa­gie­re feh­len wer­den: 97.000 in Fun­chal und Por­to San­to, 64.000 in Faro und 22.000 in Por­to. Die von ANA für Faro genann­te Flug­gast-Zahl ist dem­nach also mehr als dop­pelt so hoch, als von ATA und AHETA ange­ge­ben – mög­li­cher­wei­se, weil Ankunft und Abrei­se dop­pelt gezählt werden. 

Aller­dings weist ein Spre­cher dar­auf hin, dass die Aus­wir­kun­gen des Ger­ma­nia-Kon­kur­ses an den ins­ge­samt 55 Mil­lio­nen Flug­gäs­ten gemes­sen wer­den müs­sen, die im ver­gan­ge­nen Jahr auf ANA-Flug­hä­fen in Por­tu­gal abge­fer­tigt wur­den. Auf Por­to ent­fie­len 11,9 Mil­lio­nen Pas­sa­gie­re, auf Faro 8,7 Mil­lio­nen und auf Fun­chal (Madei­ra) 3,3 Millionen.

"Wir glau­ben, dass die Attrak­ti­vi­tät des Rei­se­ziels Por­tu­gal erhal­ten bleibt. Für jeden betrof­fe­nen Flug­ha­fen wer­den ANA und die ört­li­chen Tou­ris­mus­un­ter­neh­men koor­di­nier­te Anstren­gun­gen unter­neh­men, um neue Flug­ge­sell­schaf­ten zu gewin­nen, damit die ver­lo­re­ne Kapa­zi­tät wie­der aus­ge­gli­chen wird. (ANA-Spre­cher)

 

Der Markt wird vom Poten­zi­al über­zeugt, das Ger­ma­nia nutzte

 

Kön­nen Flug­ge­sell­schaf­ten wie die Luft­han­sa das Poten­zi­al von Ger­ma­nia über­neh­men? Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Noch sei es zu früh, über Fol­gen für den Som­mer­flug­plan 2019 des Flug­ha­fens Faro zu spre­chen, meint ATA- und RTA-Prä­si­dent Fer­nan­des. Der­zeit zeich­ne­ten sich ledig­lich "even­tu­el­le kurz­fris­ti­ge Kon­se­quen­zen" aus dem Ver­lust der Flug­ver­bin­dun­gen ab. Aber ATA, die Frem­den­ver­kehrs­or­ga­ni­sa­ti­on Turis­mo de Por­tu­gal und der Flug­ha­fen Faro sei­en bestrebt, die Ver­hand­lun­gen mit ande­ren Flug­ge­sell­schaf­ten zu inten­si­vie­ren. Ziel soll sein, die "ver­lo­re­nen Stre­cken und Flug­fre­quen­zen zu fül­len". Fer­nan­des: "Wir wol­len die ande­ren Air­lines auch auf das Poten­zi­al auf­merk­sam machen, das die bis­her von Ger­ma­nia bedien­ten Stre­cken gebo­ten haben".

Sein AHE­TA-Kol­le­ge Vie­gas in Alb­ufei­ra assistiert:

"Die Stra­te­gie kann nur dar­in bestehen, ver­lo­re­ne Ger­ma­nia-Kun­den durch ande­re Flug­ge­sell­schaf­ten und Rei­se­ver­an­stal­ter auf­zu­fan­gen und mehr auf kom­ple­men­tä­re und alter­na­ti­ve Märk­te zu setzen".

Par­al­lel ver­spricht Fer­nan­des auch die Bemü­hun­gen um gemein­sa­me Mar­ke­ting­kam­pa­gnen mit Unter­neh­men und Rei­se­ver­an­stal­tern zu ver­stär­ken. Die­se soll­ten die Absatz­zah­len der Algar­ve im wich­ti­gen Markt Deutsch­land zu stei­gern hel­fen. Wenn Deutsch­lands Urlau­ber auf der Prio­ri­tä­ten­lis­te weit oben ste­hen: War­um spiel­te die­ser Markt dann in einer Janu­ar-Pres­se­mit­tei­lung des Ver­bands zur Stra­te­gie der Algar­ve-Tou­ris­tik im Jahr 2019 gar kei­ne Rolle?

Deut­scher Markt – zweit­größ­tes Tor­ten­stück der Algarve-Touristik

 

"Das bedeu­tet natür­lich nicht, dass wir nicht auch wei­ter­hin auf den deut­schen Markt set­zen", ver­tei­digt sich Fer­nan­des. Und ver­weist dar­auf, dass auf den Deutsch­land-Markt allein 22 Pro­zent der dies­jäh­ri­gen Aus­ga­be ent­fal­len. Das sei das zweit­größ­te "Tor­ten­stück". AHE­TA-Prä­si­dent Vie­gas bezif­fert das Markt­vo­lu­men auf 382.000 deut­sche Algar­ve-Tou­ris­ten in 2018 und 2,5 Mil­lio­nen Übernachtungen.

"Wir möch­ten unse­re deut­schen Kun­den – wie auch ande­re – an uns bin­den, indem wir die Viel­falt unse­rer Ange­bots­pa­let­te erhö­hen und neue Flug­ver­bin­dun­gen för­dern. Das wird für eine Erleb­nis­be­rei­che­rung sor­gen. Par­al­lel dazu inves­tie­ren wir in den Aus­bau von Aktio­nen, die sich spe­zi­ell an Grup­pen von Urlau­bern rich­ten, die auch außer­halb der Neben­sai­son ver­rei­sen kön­nen. Her­vor­zu­he­ben sind hier Pro­duk­te wie der Golf­sport oder Natur­tou­ris­mus". (João Fernandes)

 

Hat noch Kapa­zi­tät frei: die Abflug­hal­le des Flug­ha­fens Faro. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

Was die Zusam­men­ar­beit mit Flug­ge­sell­schaf­ten anbe­trifft, weist Fer­nan­des dar­auf hin, dass bereits im Win­ter ver­gan­ge­nen Jah­res eine Erhö­hung des Platz­an­ge­bots auf allen Märk­ten zu ver­zeich­nen war, ins­be­son­de­re auf Deutsch­land-Ver­bin­dun­gen. Die Ver­lus­te aus der Insol­venz von Air­ber­lin und Niki sei­en bereits auf­ge­holt. "Und seit Ende 2018 gibt es eine neue Ver­bin­dung von Faro nach Ber­lin-Schö­ne­feld sowie neue Ver­bin­dun­gen mit Köln/Bonn und Düs­sel­dorf", ergänzt der Prä­si­dent von ATA und RTA. Die Flug­hä­fen der deut­schen Haupt­stadt Ber­lin wür­den jetzt sogar von drei Flug­ge­sell­schaf­ten mit der Algar­ve ver­bun­den. Fer­nan­des spricht damit die Ryan­air- und Easy­Jet-Ver­bin­dun­gen mit Ber­lin-Schö­ne­feld und die Lau­da­Mo­ti­on-Ver­bin­dung mit Ber­lin-Tegel an.

 

Auch der Markt Madei­ra ist vom Ger­ma­nia-Kon­kurs betroffen

 

Die­ses Feld sei einer der Berei­che, "in denen ATA tat­säch­lich eine wich­ti­ge wer­ben­de Rol­le spie­len kann", so Hotel­ver­bands-Chef Vie­gas. ATA wer­de mit ande­ren Flug­ge­sell­schaf­ten und Rei­se­ver­an­stal­tern sowie Regio­nen wie bei­spiels­wei­se Madei­ra, die eben­falls stark betrof­fen sei­en, Gesprä­che füh­ren und koope­rie­ren. Dies gesche­he mit dem Ziel, die Zahl der deut­schen Tou­ris­ten an der Algar­ve zu sta­bi­li­sie­ren "und wenn mög­lich zu erhö­hen, obwohl die­se Pro­zes­se nicht ein­fach sind oder har­mo­nisch ablaufen".

 

Stellt sich auf "gewis­sen Rück­gang" des Deutsch­land-Markts 2019 ein: Algar­ve-Hotel­ver­bands­chef Eli­der­i­co Vie­gas. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

"Des Wei­te­ren wol­len wir unse­re tra­di­tio­nel­le Tou­ris­mus­för­de­rung in Form von gemein­sa­men Aktio­nen mit den Rei­se­ver­an­stal­tern fes­ti­gen und ver­stär­ken. In die­sem Zusam­men­hang sind Inves­ti­tio­nen geplant, um die Algar­ve als attrak­ti­ves Rei­se­ziel im Bereich "Luxu­ry and Authen­ti­ci­ty" zu posi­tio­nie­ren". (João Fernandes)

Bei der Bear­bei­tung des Tou­ris­tik­markts Deutsch­land will die Algar­ve zudem wei­ter­hin auf aus­ge­wähl­te Mes­sen set­zen. "Wir waren bereits auf der CMT in Stutt­gart, einer der größ­ten Tou­ris­mus- und Frei­zeit­mes­sen welt­weit", berich­tet Fer­nan­des. Zum ers­ten Mal trat die Algar­ve nicht nur mit ihrem nor­ma­len Stand auf, son­der zusätz­lich mit einem zwei­ten zum The­ma Aktiv­tou­ris­mus. Dort prä­sen­tier­ten sich auch Ver­bands­mit­glie­der als Unter­aus­stel­ler. "Sie gaben uns sehr posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen", sagt Fer­nan­des. Im Ver­lauf des Febru­ars wol­len die Algar­ve-Tou­ris­ti­ker noch mit einem eige­nen Stand auf der F.R.E.E. in Mün­chen prä­sent sein. Die­se Ver­an­stal­tung hat sich auf Seg­men­te des Natur­tou­ris­mus wie Wan­dern und Rad­fah­ren spe­zia­li­siert, "also Pro­duk­te, die auch die Algar­ve vor­an­trei­ben möch­te", so der Prä­si­dent. Und im März, auf der ITB 2019 in Ber­lin, wer­den ATA und eini­ge ihrer Mit­glie­der wie­der auf die­ser füh­ren­de Mes­se der welt­wei­ten Rei­se­indus­trie ver­tre­ten sein.

Fort­set­zen will Fer­nan­des die Unter­stüt­zung so genann­ter "Fam­trips" für Rei­se­bü­ro-Mit­ar­bei­ter sowie Rei­sen für Jour­na­lis­ten, Blog­ger und "digi­ta­le Influen­cer". "Unser Haupt­au­gen­merk rich­ten wir dabei dar­auf, die Authen­ti­zi­tät, Viel­falt und Qua­li­tät unse­res Ange­bots zu prä­sen­tie­ren, durch wel­che sich die Algar­ve von ande­ren Rei­se­zie­len abhebt".

Algar­ve-Hotels rech­nen 2019 mit "gewis­ser Redu­zie­rung" des deut­schen Markts

 

Die Algar­ve-Hotels stel­len sich unter­des­sen auf eine Kon­so­li­die­rung des deut­schen Markts an Algar­ve-Tou­ris­ten ein, ja "sogar auf eine gewis­se Reduk­ti­on gegen­über dem Vor­jahr", so AHE­TA-Prä­si­dent Vie­gas. Die Insol­venz­ge­fahr für deut­sche, aber auch bri­ti­sche Flug­ge­sell­schaf­ten sei – "zumin­dest aus unse­rer Sicht" – grund­sätz­lich geblie­ben. Dies hän­ge mit der gene­rel­len Insta­bi­li­tät zusam­men, die sich aus Schwan­kun­gen des Öl- und Kero­sin-Prei­ses sowie aus der "expo­nen­ti­el­len Zunah­me des Wett­be­werbs zwi­schen den Luft­fahrt­un­ter­neh­men" ergebe.

 

ARD-Luft­fahrt­ex­per­te Micha­el Immel vom Hes­si­schen Rund­funk in Frank­furt. Screen­shot: Das Erste

 

Damit dürf­te Vie­gas recht haben. Denn schon am Tag, als der Insol­venz-Antrag der Ger­ma­nia bekannt wur­de, sprach der deut­sche Luft­fahrt-Exper­te Micha­el Immel im ARD-Fern­se­hen davon, dass es am Ende des tur­bu­lent begon­ne­nen Jahrs 2019 mög­li­cher­wei­se wei­te­re Markt­aus­trit­te zu bilan­zie­ren geben könn­te. Er sprach vor allem von einer angeb­lich ange­schla­ge­nen finan­zi­el­len Situa­ti­on bei der Flug­ge­sell­schaft Nor­we­gi­an. Die Air­line fliegt eben­falls den Algar­ve-Flug­ha­fen Faro an. Dort star­ten und lan­den eben­so die Flug­ge­sell­schaf­ten TAP Air Por­tu­gal und SAS. Auch die­se sieht Immel als euro­päi­sche Air­lines an, die zusam­men mit Alita­lia in die­sem Jahr eher auf wacke­li­gen Flü­geln schweben…

 

Hans-Joachim Allgaier: Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber
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