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Welt­klas­se-Orga­nist Koop­man in Faro

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Welt­klas­se-Solis­ten an der Algar­ve – das ist eher sel­ten im Kul­tur­le­ben an der Süd­küs­te Por­tu­gals. Umso gespann­ter freu­te ich mich dar­auf, dass einer der stil­prä­gen­den Orga­nis­ten unse­rer Zeit, der Nie­der­län­der Ton Koop­man (73), beim Fes­ti­val de Órgão do Algar­ve 2017 auf­tre­ten wür­de. Am Sams­tag, 11. Novem­ber, fas­zi­nier­te der Meis­ter Alter Musik gut 300 Zuhö­rer, die zu spä­ter Stun­de in die Kathe­dra­le Igre­ja da Sé in der his­to­ri­schen Alt­stadt von Faro gekom­men waren. Hier mei­ne Ein­drü­cke und Fotos.

Ton Koopmann beim Konzert am 11. November 2017 in Faro an der Algarve
Ton Koop­man in Faro. Foto: Fes­ti­val de Orgao do Algarve

Zwei Wochen zuvor, unmit­tel­bar vor dem Refor­ma­ti­ons­fest, hat­te Katho­lik Koop­mann noch Bachs h‑Moll-Mes­se diri­giert und mit den Ber­li­ner Phil­har­mo­ni­kern und dem RIAS Kam­mer­chor in der Bun­des­haupt­stadt auf­ge­führt. Lei­der konn­te ich wegen Ter­min­kol­li­si­on die Live-Über­tra­gung im Inter­net nicht mitverfolgen.

Aber jetzt sitzt der 73-Jäh­ri­ge, einer der gro­ßen Spe­zia­lis­ten für das Werk des Leip­zi­ger Tho­mas­kan­tors, gar nicht weit von mir, in der ers­ten Rei­he. Trotz zehn­mi­nü­ti­ger Ver­zö­ge­rung des Kon­zert­be­ginns war­tet er gedul­dig dar­auf, zu einer kur­zen Begrü­ßung ans Pult neben der Lein­wand geführt zu wer­den, die für die Video­über­tra­gung auf­ge­baut ist.

Der bär­ti­ge, weiß­haa­ri­ge Mann spricht lei­se und eng­lisch, bedau­ert, das Publi­kum nicht auf Por­tu­gie­sisch begrü­ßen zu kom­men. Ein kur­zer Über­blick übers Pro­gramm, dann erklimmt er um 21:50 Uhr schnel­len Schrit­tes die Empo­re, setzt sich an den Spiel­tisch der vor 300 Jah­ren von dem Deut­schen Johann Hein­rich Hulen­kampf, einem Gesel­len aus der Werk­statt von Arp Schnit­ger, erbau­ten Orgel. Das Team, das Koop­mans Kon­zert digi­tal auf­zeich­net, drückt auf die Start­tas­te des Laptops.

 

Koop­mann star­tet ful­mi­nant und furios

 

Ton Koopmann auf Video-Bild während Faro-Konzert zum Orgelfestival 2017
Ton Koop­man auf die Fin­ger geschaut. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Der Auf­takt: ful­mi­nant und furi­os. In der „Batal­ha Famo­sa“ (C‑Dur) eines unbe­kann­ten Kom­po­nis­ten bringt der berühm­te Orga­nist den spe­zi­el­len Klang der Trom­pe­ten-Pfei­fen bril­lant zur Gel­tung. Der Blick auf den Bild­schirm zeigt flin­ke Fin­ger und kraft­vol­len Anschlag.

Die Bild­re­gie über­blen­det mit Bil­dern des far­ben­rei­chen Orgel­pro­spekts, zeigt immer wie­der die baro­cken Engels­fi­gu­ren mit ihren ange­setz­ten Trompeten.

Dann ein Tri­but an das benach­bar­te Anda­lu­si­en. Koop­man inter­pre­tiert „Todo el mun­do“ in f‑moll des Kom­po­nis­ten und Orgel­leh­rers Fran­cis­co Cor­rea de Arau­xo (1581 bis 1663) aus Sevilla.

Sei­ner Musik hört man teil­wei­se noch den kon­tra­punk­ti­schen und har­mo­ni­schen Fluss der Renais­sance-Musik an. Hin­zu kom­men aber zwin­gen­de Rhyth­mik und vir­tuo­se, sin­gen­de Tonfolgen.

 

Koop­man springt in sei­ne nie­der­län­di­sche Heimat

 

ton Koopman begeistert gefeiert beim Orgelfestival an der Algarve in Faro
Dankt für den Applaus in Faro: Der nie­der­län­di­sche Bach-Spe­zia­list Ton Koop­man. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Anschlie­ßend springt der Nie­der­län­der von Spa­ni­en in sei­ne Hei­mat, bringt drei Stü­cke sei­nes Lands­manns Jan Pie­ters­zoon Sweelinck (1562 bis 1621): Bal­lo del Gran­du­ca (G‑Dur), Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr (F‑Dur) und Echo fan­ta­sia (a‑moll). Ich spü­re: In die­ser Klang­welt ist Koop­mann tat­säch­lich „zu Hau­se“. Der Orga­nist spielt mit vol­lem Her­zen, sei­ne Musik hat Hand und Fuß.

Aber es kommt für mich noch bes­ser. Koop­man, Vor­sit­zen­der der inter­na­tio­na­len Bux­te­hu­de-Gesell­schaft prä­sen­tiert vier Wer­ke des dänisch-deut­schen Kom­po­nis­ten (1637 bis 1707), des­sen Gesamt­werk er „fan­tas­tisch“ fin­det und des­sen Orgel­wer­ke er als „groß­ar­tig“ bezeich­net: Pre­ludi­umma­nu­a­li­ter (g‑moll), Wie schön leuch­tet der Mor­gen­stern (G‑Dur), Fuga (C‑Dur) und Auf mei­nen lie­ben Gott (e‑moll). Koop­man lässt in sei­ner Inter­pre­ta­ti­on den von man­chen Musik­wis­sen­schaft­lern als „Klein­meis­ter“ titu­lier­ten Bux­te­hu­de groß auf­blü­hen, lässt etwas von sei­ner Thea­tra­lik und Wild­heit erah­nen, macht ihn gewis­ser­ma­ßen leben­dig. Das Video­bild zeigt, wie vie­le Anmer­kun­gen sich der Nie­der­län­der in sei­ne Bux­te­hu­de-Noten geschrie­ben hat. Aus­wen­dig zu spie­len, kommt ihm nicht in den Sinn. Er will immer neu lesen, immer neu ver­ste­hen, immer neu spielen.

Kurz vor dem krö­nen­den Abschluss lädt Koop­man auf eine Rei­se zu dem 1685 gebo­re­nen Kom­po­nis­ten ein, den die Por­tu­gie­sen Dom­in­go Escar­la­te nen­nen und der im Nach­bar­land Spa­ni­en 1757 starb: Dome­ni­co Scar­lat­ti. Der ita­lie­ni­sche Ton­set­zer und Cem­ba­list ist berühmt für sei­ne Sona­ten. Ken­ner zäh­len sie zum Ori­gi­nells­ten die­ses Gen­res im 18. Jahr­hun­dert. Koop­man wählt zwei Sona­ten in D‑Dur und eine in G‑Dur (K 287, 288 und 328). Im Publi­kum sind wir hin­ge­ris­sen. Beim kräf­ti­gen Applaus beugt sich das Urge­stein der Alten Musik höf­lich über die Empo­re, nickt freund­lich und winkt mit einer knap­pen Geste.

 

Koop­man into­niert zum Schluss Bach's "Vater Unser"

 

Ton Koopman gibt bei Faro-Konzert an der Algarve Zugaben
Der Orgel­meis­ter, um den sich die Jün­ger scha­ren: Ton Koop­man bei einer Zuga­be in Faro. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Dann schwingt er sich über die Orgel­bank zurück an den Spiel­tisch, wo rechts von ihm ein Hel­fer fürs Umblät­tern der Noten sitzt und links – bei schnel­len Stü­cken – eine Hel­fe­rin beim Zie­hen der Regis­ter unter­stützt. Wie immer, hat auch in die­sem Faro-Kon­zert der Deut­sche das letz­te Wort, den Koop­mann als den „größ­ten Kom­po­nis­ten unse­res Kos­mos“ ein­ord­net: Johann Sebas­ti­an Bach (1685 bis 1750). „Wir haben nie einen wich­ti­ge­ren Kom­po­nis­ten vor oder nach ihm gehabt“, wird der nie­der­län­di­sche Bach-Exper­te zitiert. Und so bil­den kurz vor dem Beginn des Sonn­tags das „Vater Unser im Him­mel­reich“ (d‑moll) und die Fuga in F‑Dur aus der Pas­to­ra­le den erha­be­nen und gran­dio­sen Schlusspunkt.

Das Publi­kum erhebt sich, ergrif­fen applau­die­rend. Zur ers­ten Zuga­be kommt der Orga­nist zurück ins Kir­chen­schiff. Der Meis­ter schrei­tet an die klei­ne Orgel dort, erwähnt lei­se den Titel des medi­ta­ti­ven Stücks. Sofort scha­ren sich sei­ne Jün­ger um ihn, wol­len ger­ne mit ihm auf Tuch­füh­lung gehen. Nur das Licht der Spiel­tisch-Leuch­te erhellt die Sze­ne am Sei­ten­gang, bei der alle den Atem anhal­ten. Zur letz­ten Zuga­be, zum „Finish“, wie er sagt, begibt sich der am 2. Okto­ber 1944 in Zwol­le gebo­re­ne Welt­klas­se-Orga­nist wie­der an das 300 Jah­re alte Instru­ment. Wir las­sen uns von sei­ner Vir­tuo­si­tät, sei­nem rasan­ten Tem­po, sei­nen opu­len­ten Ver­zie­run­gen mit­rei­ßen. Am Ende der Par­ti­tur ver­zö­gert er kurz – und setzt einen ein­zi­gen strah­len­den Ton an den hei­ter-über­ra­schen­den Schluss.

 

Koop­man (73) soll­te bald wiederkommen

 

Selfie mit Ton Koopman nach seinem Faro-Konzert beim Algarve-Orgelfestival
Kon­zen­triert auch beim Sel­fie: Ton Koop­man nach sei­nem Faro-Kon­zert. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Mein Ein­druck ist: Ton Koop­man hat sich von der Barock-Orgel in der Kathe­dra­le von Faro inspi­rie­ren las­sen, ihre schö­nen Regis­ter und vie­len Klang­mischun­gen per­fekt aus­ge­nutzt. Nie wirk­te sein Spiel bloß laut oder auf­dring­lich. Viel­mehr ließ er sei­ne Per­sön­lich­keit mit­spie­len, sorg­te für eine Dosis Abwechs­lungs­reich­tum: Mal ist sei­ne Musik lang­sam, mal schnell, mal fröh­lich, mal trau­rig. Sein roter Faden ist ein­fach die Abwechs­lung. Nur eins ändert sich bei ihm nie – sei­ne aus dem Her­zen kom­men­de Lei­den­schaft für Barock- und klas­si­sche Musik und sein uner­bitt­li­ches Qua­li­täts­stre­ben. Werk­treue und tie­fe Kennt­nis der Par­ti­tu­ren sind ihm wich­tig, aber nie atmet sein Spiel bloß die intel­lek­tu­el­len Erkennt­nis­se tro­cke­ner Musikwissenschaft.

Mein Wunsch und mei­ne Hoff­nung sind, dass es nicht wie­der 25 Jah­re dau­ert, bis Ton Koop­mann, der mit sei­ner Fami­lie ger­ne Feri­en im eige­nen Haus in Frank­reich macht, wie­der an die Algar­ve kommt. Schließ­lich hat er vor, wie der Titel eines Films über ihn lau­tet („Ich will 100 wer­den“), uns durch­aus noch län­ger zu beglücken.

 

Hin­weis: Neben Koop­mann gestal­ten noch der Orga­nist Antó­nio Estei­rei­ro und die Orga­nis­tin­nen Danie­la Oli­vei­ra und Eli­sa Freixo das Fes­ti­val der Algar­ve. Die nächs­ten Auf­füh­run­gen sind am 17. und 24. Novem­ber in Boli­quei­me und Tavi­ra, jeweils um 21:30 Uhr. Ver­an­stal­tet wer­den sie von der Asso­cia­ção Cul­tu­ral Músi­ca XXI. Hier geht es zur Face­book-Sei­te des Festivals.

Hans-Joachim Allgaier
Anzei­ge

Hans-Joachim Allgaier

Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber

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