Algarve-Hotels erwarten weiteren Tourismus-Höhenflug
Gut 13 Prozent mehr Umsatz, eine um sieben Prozentpunkte höhere Auslastungsrate und zehn Prozent mehr Golfrunden: zauberhafte Zahlen für 2016, mit denen die Algarve-Hoteliers jetzt jonglieren konnten. Auch nach dem erneut goldenen Tourismusjahr erwarten sie weitere Zuwächse. So rechnen sie für 2017 mit einem Einnahmeplus von sechs Prozent und einer um drei Prozentpunkte höheren Belegungsquote. Ihr Verband AHETA kalkuliert mit einem durchschnittlichen Preisanstieg um drei Prozent.
In einer Pressemitteilung heißt es, 2017 könnte zum ersten Mal seit der Jahrhundertwende die durchschnittliche jährliche Auslastung der Algarve-Hotels wieder bei 65 Prozent liegen. Das sei der Preispolitik und dem Investitionsverhalten zuzurechnen. Die Region sei der Hauptnettozahler im portugiesischen Reise- und Tourismus-Sektor mit seinen Erträgen von 12,6 Milliarden Euro im Berichtsjahr. Allein die Algarve habe für rund die Hälfte dieser Summe gesorgt. Über amtliche Zahlen hatte der Algarve-Entdecker schon am 24. Januar hier berichtet.
Fast elf Millionen Touristen, gut 53 Millionen Übernachtungen
Für die guten Ergebnisse seien 2016 in erster Linie Touristen aus dem ferneren europäischen Ausland, vor allem dem Vereinigten Königreich, verantwortlich gewesen, während der portugiesische und spanische Markt Rückgänge um jeweils rund zehn Prozent verzeichneten, so AHETA. Laut Verband registrierten die behördlich erfassten Betriebe rund 3,9 Millionen Touristen – davon etwa eine Million aus Portugal – und mehr als 19,5 Millionen Übernachtungen. Hinzurechnen müsse man rund 6,8 Millionen Touristen, die in nicht offiziell registrierten Unterkünften wie Zweitwohnungen, Einfamilienhäusern oder Wohnungen von Freunden untergekommen seien. Das entspreche rund 34 Millionen Übernachtungen.
Begünstigt habe die Entwicklung vor allem das „Klima der Instabilität“ in anderen Tourismusregionen, vor allem in der Türkei, weiteren Destinationen des Mittelmeerraums und des Maghreb.
Zu den negativen Aspekten des zurückliegenden Tourismusjahrs zählen die offiziell registrierten Beherbergungsbetriebe die Erhöhung der Flughafengebühren und den Anstieg der Treibstoffkosten.
Aber auch die illegale Vermietung von Unterkünften sowie die „Unfähigkeit der zuständigen Behörden, sich mit dieser Realität zu befassen“, wird bedauert. Zudem fehlt es nach den Angaben des Verbands in der Tourismussaison nach wie vor oft an genügend qualifizierten Arbeitskräften.
Kritik am „Misserfolg“ des Kulturprogramms 365 Algarve
Deutliche Kritik üben die Hoteliers am „Misserfolg“ des Animationsprogramms 365 Algarve, das für fast jeden Tag des Jahres ein kulturelles Angebot machen will. Die klaren Worte kamen just an dem Tag, als die Bewerbungsphase für die zweite Auflage des Programms für die Phase Oktober 2017 bis Mai 2018 startete.
Noch bis 31. März können Anträge auf Aufnahme von Veranstaltungen gestellt werden. Es muss sich aber um solche außerhalb der üblichen Hochsaison-Angebote rund um Strand und Sonne handeln.
Erst am 20. Januar hatten die Programm-Verantwortlichen eine eigene Zwischenbilanz der ersten drei Monate mit ihren 191 Angeboten in fast allen Algarve-Städten gezogen. 19.300 Besucher, darunter ein Viertel ausländische Touristen, seien gezählt worden. Das Programm war im Oktober 2016 aufgelegt worden.
Dalia Paulo, die Programmchefin, betonte den Umfang und die Vielfältigkeit der Inhalte, die nicht auf traditionelle Bereiche beschränkt seien. 64 Standorte und 19 Partner seien bislang in die Zusammenarbeit eingezogen gewesen. Die Intensivierung des kulturellen Angebots habe es geschafft, die Saisonalität zu reduzieren, so Paulo.
Inzwischen hat die Kulturmanagerin eine Partnerschaft zwischen dem Tourismus-Regionalverband der Algarve (RTA), dem Städtetag der Region (AMAL) und der Universität in Faro herbeigeführt. Ziel ist es, den an der Algarve Studierenden, etwa im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms, Land und Leute mit ihrer kulturellen Identität nahezubringen und sie zu Botschaftern der Region zu machen. Rund 1.200 Studentinnen und Studenten sollen so angesprochen werden. Kulturelle Besuchsprogramme werden dazu vor Ort mit gastronomischen und touristischen Angeboten verknüpft. Den Anfang machte im Januar eine Begegnung in Vila do Bispo mit dem Jazz-Trompeter Hugo Alvez und dem Akkordeon-Spieler João Frade. Beide Algarve-Musiker treten mit ihren sehr unterschiedlichen Instrumenten und neuen Stücken unter dem programmatischen Titel "Morphosis" als Duo auf.
Unser Kommentar: Ziel ist richtig,
aber Ausführung sollte verbessert werden
Dass die Algarve sich ein Kulturprogramm gegeben hat, das praktisch an jedem Tag des Jahres Residenten und Touristen etwas Schönes, Animierendes liefern soll, ist zunächst einmal ein lobenswertes und richtiges Ziel. Wer jetzt – wie der Hotelverband AHETA – vorschnell ein Versagen konstatiert, sollte in Rechnung stellen, dass es zum Programmbeginn am 1. Oktober 2016 keine Chance mehr gab, noch die wichtigsten Quellmärkte für Touristen zu bewerben. Das wird bei der zweiten Auflage anders sein.
Doch die Verantwortlichen sollten gleichzeitig darauf achten, dass die Künstler und Themen so ausgewählt werden, dass sie auch für ausländische Veranstaltungsbesucher attraktiv sind. Sonst nutzen Werbung und Promotion im Ausland kaum etwas. Die bisherige Selbstbeschränkung auf Kulturschaffende aus der Algarve könnte ein Hindernis für großen Erfolg sein, denn dieser Kreis von Personen ist nur wenigen Eingeweihten bekannt.
Sicher, aus örtlicher Sicht wirkt es zunächst wie ein (Preis-)Vorteil, wenn das Programm von Kulturverbänden und Gemeinden der Algarve komplett selbst erstellt wird. Das ist anders als bei dem Wirtschaftsministerium finanzierten „Allgarve“-Programm der Jahre 2007 bis 2010 und tut daher der breiten Partizipation gut. Das Angebot beruht somit sicher auf der Identität dieser Region und ihrer zeitgenössischen Kunst. Aber das sind Ziele aus der spezifischen Inlandssicht einer portugiesischen Kulturpolitik. Wer hingegen die Algarve-Städte ganzjährig zu einer interessanten Gegend auch für ausländische Residenten und Touristen machen will, sollte sich ambitioniertere Ziele setzen.
In Deutschland kennt man die Redensart „Nicht kleckern, sondern klotzen!“ Statt die 1,5 Millionen Euro Fördergelder aus dem Tourismus-Budget der Regierung in Lissabon wie mit einer Gießkanne nur über viele kleine Projekte zu schütten, sollten auch attraktive große Anlässe konzipiert werden; solche, die Interessierte wirklich zum Anlass für zusätzliche Algarve-Reisen nehmen können. Das darf zulasten von Veranstaltungen gehen, die vielleicht hauptsächlich dem regionalen Proporz geschuldet sind.
Die Kulturinstitutionen und Botschaften Großbritanniens, Frankreichs, der Benelux-Staaten und der deutschsprachigen Länder sowie anderer Nationen helfen sicher gern bei der Vermittlung von hochkarätigen Events. Und vermögende Privatpersonen, die hier leben, ließen sich sicher für ein Sponsoring begeistern, denn schließlich wollen auch sie Renommee für die Algarve.
Der Puls der Region, den die "365 Algarve"-Verantwortlichen die Besucher fühlen lassen wollen, sollte einer sein, der kosmopolitisch schlägt. Wer nur herzeigen will, was man an Selbstgemachtem anbieten kann, wird nicht unbedingt immer das Beste für Algarve-Bewohner und ‑Besucher bieten. Unser Rat: Schafft Ereignisse, über die auch die reichweitenstarken Medien der wichtigsten Herkunftsländer der Residenten und Urlauber berichten können. So etwas spricht sich herum und macht neugierig. Und kommuniziert das jetzige Angebot doch so, dass viel mehr Ausländer davon Kenntnis bekommen.
Wenn die Algarve-Hoteliers sowie einige Medien und Institutionen das Programm mit seinem bemüht modernistisch klingenden Titel schon falsch bezeichnen („Algarve 365“ statt 365 Algarve), zeigt das auch, wie viel dem Ganzen noch an Bekanntheit und Beliebtheit fehlt…
Hans-Joachim Allgaier