Mehr Touristen, aber weniger Profi-Fußballer an der Algarve?
Zum wichtigsten Ort für Wintertrainingslager deutscher Bundesligisten hatte sich in der Vergangenheit die türkische Riviera rund um Belek entwickelt – auch wenn manchmal Starkregen die Plätze des Dorfs bei Antalya unter Wasser setzte. Sagen die Profikicker wegen innenpolitischer Unruhen und Sicherheitsbedenken in diesem Winter „Bye-bye, Belek“? Und kann die attraktive Algarve wieder verstärkt die Top-Fußballer anziehen? Algarve-Entdecker.com hat recherchiert und alle Vereine der ersten Liga befragt.
Im Januar dieses Jahres waren es noch sieben Erstligisten gewesen sowie zwei Dutzend Mannschaften aus den unteren deutschen Ligen, die in Belek und in der Umgebung dieses Ortes mit nur wenigen tausend Einwohnern ihre Winterzelte aufgeschlagen hatten. Doch laut „Sport Bild“ empfahl eine Hamburger Spezialagentur, die für die meisten deutschen Mannschaften Trainingslager organisiert, derzeit nicht in die Türkei zu gehen. So wird im Januar 2017 dem Vernehmen nach kein Verein aus der ersten oder zweiten Bundesliga seine Vorbereitungen dort durchführen, wo es die wohl höchste Rasenplatzdichte der Welt gibt. 2015 hatten sich noch sechzehn Teams aus den beiden ersten Ligen und rund die Hälfte aller Bundesligaclubs in Belek bei Antalya auf die Rückrunde vorbereitet.
Ob die Algarve, die in diesem Jahr mehr Urlauber denn je anzog, umfangreich davon profitiert, ist fraglich. Noch in den Neunzigern flogen Fußballclubs, die etwas auf sich hielten, hierhin in den warmen portugiesischen „Wintergarten“. Ist dieser Trend vielleicht vorbei? Bislang schält sich nur heraus, dass neben einem einzigen deutschen Erstligisten noch je ein Team aus der zweiten, dritten und vierten Liga an die sonnige Südküste Portugals kommen werden – plus Top-Club Ajax Amsterdam aus der niederländischen „Eredivisie“. Die Niederländer präparieren sich von 2. bis 8. Januar in Alcantarilha für die zweite Saisonhälfte.
Wie aus Amsterdam verlautete, ist ein Duell gegen die Bundesliga-Überraschungself RB Leipzig geplant. Die offizielle Bestätigung aus Sachsen sprach zunächst lediglich von einem Aufenthalt in Lagos vom 4. bis 12. Januar. Details wurden am 30. November nachgeliefert: Wie der Verein mitteilte, werden die Leipziger ihr Camp im Cascade Resort aufschlagen.
Die Trainingslager-Fanreise, die der Klub organisiert hat, ist bereits restlos ausgebucht. Die 25 begleitenden Anhänger werden im Aqualuz Suite Hotel untergebracht werden, einer Vier-Sterne-Herberge unweit des Cascade Resorts. Mindestens 517 Euro kosten, je nach Zimmerkategorie, jeden Fan die Flüge und die Unterkunft zwischen 5. und 9. Januar.
Nach Lagos kehren übrigens auch die Fußballer des VfB Stuttgart (2. Bundesliga) zurück. „Die Wahl fiel auf Lagos, weil wir die Anlage kennen und dort bei unserem Trainingslageraufenthalt vor zwei Jahren mit den dortigen Bedingungen durchweg positive Erfahrungen gemacht haben“, sagt VfB-Pressesprecher Tobias Herwerth. Das Stuttgarter Team wird vom 13. bis 20. Januar ebenfalls im Cascade Resort residieren. Die Anlage in Lagos hatte früher zum Beispiel auch schon Zenit Sankt Petersburg, den VfL Wolfsburg, Bayer 04 Leverkusen, Aston Villa, die niederländische Nationalmannschaft sowie die Frauen-Nationalmannschaft der USA zu Gast.
Auch der MSV Duisburg, mittlerweile Drittligist, war viele Jahre lang Winter-Stammgast an der Algarve gewesen, meist in der Nähe von Albufeira. Vom 12. bis 20. Januar kehren die „Zebras“ aus der Ruhrgebietsstadt nun dorthin zurück, genauer gesagt ins Ria Park Hotel in Almancil. Zwischendurch hatte der MSV – wie viele andere Vereine – jeweils Quartier an der türkischen Riviera bezogen.
Inhaltsverzeichnis
Zwei frühere Algarve-Gäste fliegen nach Florida
Erstligist VfL Wolfsburg, bis etwa 2007 sehr häufig in Vale do Lobo an der Algarve zu Gast und 2016 ausnahmsweise im Trainingslager in Lagos, fliegt im bevorstehenden Winter nach Florida. „Wir haben uns in diesem Jahr entschieden, im Rahmen der Auslandsvermarktung der Deutschen Fußball-Liga das Angebot anzunehmen, am Florida-Cup teilzunehmen. Aus organisatorischen Gründen verbinden wir das dann gleich mit dem Trainingslager“, erläutert Pressesprecherin Barbara Ertel-Leicht.
Für Florida entscheidet sich schon seit 2015 auch der Algarve-erfahrene Club Bayer 04 Leverkusen. Gleich beim ersten Mal musste die Werkself feststellen, dass eine Kältewelle die Temperaturen im amerikanischen Rentnerparadies im Januar durchaus auf 13 Grad Celsius drücken kann. Nach Angaben von Petra Braun-Hahn aus der Bayer 04-Pressestelle sind die Leverkusener vom 3. bis 12. Januar in Orlando.
Eine Zurückhaltung gegenüber der Algarve gibt es derzeit auch beim Sport-Club Freiburg. Der badische Bundesliga-Club ließ sich zuletzt im Jahr 2007 im Trainingslager an der Algarve, in Albufeira, von der Sonne verwöhnen. „Wie in den vergangenen Jahren wird der SC Freiburg 2017 sein Wintertrainingslager in Sotogrande, Spanien, durchführen“, berichtet Pressesprecher Sascha Glunk.
Manche Elf zieht es nach Spanien
Ebenfalls nicht für die Algarve-Sonne erwärmen konnte sich die Elf vom 1. FSV Mainz 05. Pressesprecherin Silke Bannick: „Die 05er waren vor mehr als zehn Jahren mal in Faro im Trainingslager. In den letzten Jahren sind wir nach Andalusien gefahren und waren damit sehr zufrieden – wir planen auch in diesem anstehenden Wintertrainingslager nach Marbella zurückzukehren“. Die Auswahl eines solchen Orts werde anhand vieler Faktoren getroffen und sei komplexer, als es von außen den Anschein habe, so die Mainzerin. Dabei müssten unter anderem Faktoren wie Infrastruktur, Trainingsbedingungen, Hotel, Anreisemodalitäten, Kosten und Testspielgegner eingerechnet werden.
FC Schalke 04, das letzte Mal 1993 im Trainingslager in Faro, zieht es ebenfalls nicht an die Algarve. Vom 4. bis 11. Januar 2017 trainieren die „Königsblauen“ nach Angaben von Sprecherin Christine Walther an der spanischen Costa Blanca, in Benidorm. 2016 hatte man sich noch in Florida vorbereitet. Zu den weiteren Clubs, die diesmal Destinationen in Spanien bevorzugen, gehören z.B. Hertha BSC (vom 7. bis 14. Januar auf Mallorca), der FC Augsburg (4. bis 13. Januar in Marbella) und Borussia Mönchengladbach (6. bis 11. Januar ebenfalls in Marbella).
Markus Aretz, Direktor Unternehmenskommunikation: „An der Algarve waren wir in der Vergangenheit mehrfach, zuletzt im Januar 2007. Die Bedingungen waren dort immer gut, sowohl was die Hotels als auch die Trainingsplätze angeht“. Grundsätzlich gelte, dass für die Planung der Trainingslager die Qualität des Hotels und des Trainingsplatzes, eine möglichst kurze Entfernung zwischen Hotel und Trainingsplatz, die klimatischen Bedingungen sowie die Möglichkeit für Testspiele gegen andere, ebenfalls in der Nähe weilende andere Profiteams ausschlaggebend seien, so der Mönchengladbacher.
Der SV Werder Bremen (2016 in Belek) bereitet sich vom 4. bis 10. oder 11. Januar im andalusischen Alhaurin el Grande (Provimz Malaga) auf die zweite Saisonhälfte vor. Frank Baumann, Geschäftsführer Sport bei den Grün-Weißen, hebt neben den guten Bedingungen dort auch hervor, dass „einige andere namhafte Mannschaften in der Region“ seien, gegen die Werder Testspiele bestreiten könne. Der genaue Termin der Rückreise an die Weser werde noch festgelegt.
Auch der SV Darmstadt 98 findet, dass die Türkei „selbstredend ausfällt“, so Sportchef Holger Fach gegenüber „BILD“. So optimal wie in Antalya dieses Jahr werde es allerdings nicht mehr sein, „weil es in Europa keinen Ort gibt, wo 50 Mannschaften sind, wo man immer spielen kann“, meint Fach. Die Darmstädter Lilien werden sich stattdessen vom 6. bis 13. Januar in der Nähe von Alicante für die zweite Saisonhälfte präparieren.
Die Sportredaktion der Tageszeitung „Die Welt“ will gar einen Zusammenhang zwischen Spanien als Wintertrainingslager und späterem Erfolg herausgefunden haben. Zwei Jahre hintereinander seien zehn Bundesligavereine nach Spanien geflogen, schrieb das Blatt im Januar dieses Jahres. Anschließend hätten alle in der Rückrunde besser gepunktet als in der Vorrunde. Laut „Welt“ verbesserten sich die Spanien-Trainierer in den beiden Jahren um 5,5 Punkte.
Winter-Trainingslager 2017 der Fußball-Bundesligisten
Verein | Region/Ort |
Algarve | |
RB Leipzig | Lagos |
Florida | |
Bayer 04 Leverkusen | Orlando |
VfL Wolfsburg | Orlando |
Spanien | |
Borussia Mönchengladbach | Marbella |
FC Augsburg | Marbella |
Hertha BSC | Mallorca |
1. FSV Mainz 05 | Marbella |
Schalke 04 | Benidorm |
Sport-Club Freiburg | Sotogrande |
SV Darmstadt 98 | Alicante |
SV Werder Bremen | Alhaurín el Grande |
Golfstaaten | |
Eintracht Frankfurt | Abu Dhabi |
FC Bayern München* | ? 2016: Doha, Katar |
Hamburger SV | Dubai |
Deutschland | |
1. FC Köln | Köln |
FC Ingolstadt 04 | Ingolstadt |
TSG 1899 Hoffenheim | Zuzenhausen |
Noch keine konkrete Ortsangabe | |
Borussia Dortmund | ? („nicht Dubai, nicht Algarve“) |
Quelle: Recherche von www.algarve-entdecker.com bei den Vereinen
*lt. Sport Bild
Stand: Anfang Dezember 2016
Drei Vereine schicken Teams in die Wüste
Trotzdem zieht es andere Bundesliga-Teams eher in die Wüste der arabischen Halbinsel. So steht bei Eintracht Frankfurt Abu Dhabi und bei Bayern München laut Sport Bild „voraussichtlich“ erneut Doha in Katar auf dem Programm. Eine Bestätigung der Pressestelle in München traf bei Algarve-Entdecker.com bis Redaktionsschluss nicht ein.
Die Münchener hatten schon 2015 für den Ort Doha herbe Kritik geerntet. Sie waren von Katar aus just an jenem Tag zu einem Testspiel nach Saudi-Arabien geflogen, an dem der Blogger Raif Badawi ausgepeitscht werden sollte, weil er sich für Demokratie und religiöse Freiheit aussprach. "Wir wissen, dass wir in ein Land fahren, in dem die Menschen teilweise eine andere Kultur als in Deutschland pflegen. Aber ein Trainingslager ist keine politische Äußerung", kommentierte Karl-Heinz Rummenigge, bevor die Bayern in diesem Jahr erneut nach Katar starteten.
Hamburger SV-Pressereferent Lars Wegener bestätigte unterdessen, dass die Hamburger ihr Wintertrainingslager vom 5. bis 14. Januar in Dubai abhalten werden: „Das spricht nicht gegen die Algarve, sondern für unsere guten Erfahrungen in Dubai“, betont Wegener. Dort gebe es sehr gute Trainingsbedingungen und das entsprechend milde Klima, um auch sehr viel im taktischen Bereich zu arbeiten. Zudem sei Dubai die Heimat des HSV-Trikotsponsors Fly Emirates.
Wenige Bundesligisten bleiben zu Hause
In eine mehrwöchige Winterpause geht die Bundesliga übrigens seit 1987. Zu Anfang konnten die Kicker 77 Tage lang pausieren. Eine wochenlange Auszeit vom Fußballbetrieb zu nehmen, ist ein deutscher Sonderweg, den andere großen Ligen nicht kennen. Spanische und italienische Profi-Kicker spielen nur von Heiligabend bis Neujahr nicht und in England sind Spiele am dem zweiten Weihnachtsfeiertag, dem Boxing Day, ein großer Höhepunkt in der Saison.
Zum Wintertrainingslager gar nicht in die Ferne schweifen wollen diesmal wieder deutsche Bundesliga-Vereine wie etwa die TSG 1899 Hoffenheim, der FC Ingolstadt 04 und der 1. FC Köln. Laut Fußballmagazin „Kicker“ hatten die Hoffenheimer kurz die Algarve als Alternative zu Belek ins Auge gefasst, sich dann aber fürs Zuhausebleiben im Trainingszentrum Zuzenhausen entschieden.
Hoffenheims Pressesprecher Holger Kliem weist auf ein Novum in der Historie hin: Zum ersten Mal in der 53 Jahre währenden Bundesliga-Geschichte werde der abschließende Spieltag einer Hinrunde erst nach dem Jahreswechsel ausgetragen. Deshalb müsse auf die „gewohnt üppige Winterpause“ verzichtet werden. Den Klubs blieben diesmal nur vier Wochen Zeit, ihre Vorbereitungen zu absolvieren. Der Hoffenheimer macht aber auch klar, dass es sich um „keine grundsätzliche Entscheidung gegen ein Wintertrainingslager in der Zukunft“ handele.
Der 1. FC Köln werde genau wie im vergangenen Januar am Rhein bleiben und am Geißbockheim trainieren, bestätigt Medienmann Alex Jacob. Die klimatischen Bedingungen in Köln ließen das zu; im vergangenen Januar sei in Köln beispielsweise gar kein Schnee gefallen. Die Geißböcke hatten zuletzt 2012 ihre Rückrunden-Vorbereitungen an die Algarve gelegt – die Domstadt-Elf trainierte damals in Portimão. Untergebracht war das Team im „Le Méridien Penina Golf & Resort“ zwischen Portimão und Lagos.
Bei der Algarve-Entdecker.com-Umfrage unter den Bundesliga-Vereinen bestätigte Borussia Dortmund (in diesem Jahr zum Wintertraining in Dubai), dass Trainer Thomas Tuchel und seine Mannschaft nicht an der Algarve trainieren werden. Momentan könne der Klub aber „noch keine konkreten Informationen“ zur Rückrundenvorbereitung übermitteln; eine Rückkehr nach Dubai ist dem Vernehmen nach jedoch nicht geplant.
Überzieht Algarve etwa bei den Preisen?
Zweitligist 1. FC Nürnberg liefert unterdessen Hinweise darauf, dass Kostengründe eine wichtige Rolle spielen, wenn Vereinsverantwortliche über ein Wintertrainingslager entscheiden. Der Trend weg von der Türkei lasse einige Vereine sich nun wieder für das kostspieligere Spanien oder die portugiesische Algarve interessieren, was dort zu weiter steigenden Preisen führe. "Die sind jenseits von Gut und Böse", zitiert das Webportal Nordbayern.de den Nürnberger Sportvorstand Andreas Bornemann, der mit seiner Mannschaft in Franken bleibt. Große Klubs hingegen müssten selten selbst für ihre Reisen bezahlen, denn die Spitzenreiter der Topligen würden beispielsweise von reichen arabischen Scheichs in die Golfregion eingeladen.
Auch Schalke 04-Manager Christian Heidel sieht einen preistreibenden Effekt des Türkei-Ausfalls bei Wintertrainingslagern: „Dadurch wollen viele Klubs in andere europäische Gefilde, und das führt dazu, dass dort die Preise nach oben gehen und weniger Platz ist“, zitiert die Onlineredaktion der WAZ-Gruppe den Gelsenkirchener.
Doch sogar der finanziell sicher nicht auf Rosen gebettete Nord-Regionalligist VfB Lübeck lässt sich von den Kosten nicht abhalten, ebenfalls dort zu trainieren, wo andere Algarve-Urlaub machen: Das Team aus der Hansestadt wird sich vom 15. Januar an eine Woche lang in Albufeira für die Rückrunde präparieren. Zuletzt hatte der VfB 2010 (Portugal) und 2011 (Türkei) ein sonnenbegünstigtes Wintertrainingslager genossen.