Brexit, Europa und die Algarve
Ein entsetzlicher Anschlag hat die mediale Aufmerksamkeit der Welt auf Großbritannien und auf Birstall, eine kleine Stadt in West Yorkshire, gelenkt.
Der Mord an Helen Joanne "Jo" Cox im Vorfeld des britischen EU-Referendums über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union zeigt auf erschreckende Weise viel über die Verhärtung von Fronten in politischen Diskursen.
Und der unwürdige "Wahlkampf" um einen Brexit spiegelt auch wider, wie wenig Substanz an vielen Orten die Träume und Initiativen zu einem gemeinsamen, sozialen Europa die Bemühungen der Generationen unserer Großeltern, Eltern und wir selbst bis jetzt hinterlassen haben.
Die Algarve ist eine Region der Begegnung – nicht nur im Sommer, aber in den Sommermonaten ganz besonders. Hier im Süden Portugals begegnen sich Menschen aus allen Ecken der Welt, aus allen Teilen Europas. Hier im äußersten Südwesten Europas gibt es reichlich Gelegenheit, die eigenen Vorurteile über andere Menschen, andere Kulturen und andere Nationen abzulegen und sowohl Toleranz als auch Respekt zu zeigen – als unerlässliche Voraussetzung für eine friedliche, soziale Koexistenz zum Nutzen Aller.
Inhaltsverzeichnis
Unbegreifliche Aggressivitätsexzesse?
First things first: Wir trauern mit der Familie, den Freunden und Weggefährten um Helen Joanne Cox, die sich in ihrer politischen Arbeit und ihrem Alltag für die Schwächeren unserer Gesellschaft eingesetzt hat. So hat sie vor ihrer Arbeit als Abgeordnete unter anderem für Save the Children und Oxfam gearbeitet.
Die todbringende Attacke auf die junge Parlamentsabgeordnete Jo Cox durch einen 52-jährigen britischen Staatsbürger, der in Kontakt zu rechtsradikalen Bewegungen gestanden haben soll, wird bereits jetzt in Verbindung mit ihrer politischen Haltung und Arbeit gebracht. Welche Gründe auch immer für diesen Mordanschlag ausschlaggebend gewesen sein mögen, einige begleitende Faktoren zeichnen sich bereits jetzt klar ab:
- Der Ton zwischen Politikern nicht nur in Großbritannien (vgl. öffentliche Reden von Donald Trump in den USA, TV-Duell der Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich) scheint völlig "aus dem Ruder gelaufen" zu sein.
- Es ist eine deutliche, allgemeine Verrohung der Sitten und Gebräuche in den Gesellschaften Europas festzustellen.
- Menschen scheinen in der digitalen Öffentlichkeit alle Hemmungen zu verlieren – und vor allem durch schockierende Effekte Aufmerksamkeit gewinnen zu wollen.
- Geschwindigkeit spielt bei Beiträgen zu öffentlichen Diskursen scheinbar eine größere Rolle als die Qualität des jeweiligen Beitrags.
- Die immer stärkere Konzentration von Menschen auf ihre digitalen Endgeräte führt zu einer realitätsentfremdeten Form von "digitalem Autismus", der Beschäftigung mit sozialen Umfeldern nur noch sehr eingeschränkt zulässt.
Entfremdungseffekte und Schwierigkeiten mit weiter wachsenden Komplexitäten
Unsere Gesellschaften sind gekennzeichnet von Scheren, die zu immer größerer Unzufriedenheit führen – vor allem soziale Scheren, finanzielle Scheren und bildungsbezogene Scheren. Dieses "auseinander Driften" von großen Teilen unserer Gesellschaften schafft vermeintliche Gewinner und Verlierer.
Diese Entwicklungen, die sich in den vergangenen 30 Jahren – auch durch digitale Einflüsse katalysiert – sehr beschleunigt und verstärkt gezeigt haben, haben eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten in den Vordergrund gerückt.
Nach charismatischen und äußerst engagierten Politikern der fünfziger, sechziger, siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben sich in den vergangenen 30 Jahren in Europa viele Politiker etabliert, die in vielen Fällen versäumt haben, sich um die "Bodenhaftung" zu kümmern und im Dialog mit den Bürgern ihrer Länder, Regionen und Kommunen zu bleiben.
Diese Defizite der aktuellen politischen "Kaste" gepaart mit Fällen von Korruption und anderen Straftaten haben dazu geführt, dass eine Entfremdung zwischen Bürgern und ihren politischen Repräsentanten aufgetreten ist.
Das Zeitalter einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft und Wissenschaft hat auch zur Folge, dass immer mehr Zusammenhänge offenkundig werden – verständlich für Intellektuelle Eliten, die auch wiederum eine Seite einer "Bildungsschere" sind.
"Alles hängt mit Allem zusammen." Diese Erkenntnis steht in scheinbarem Gegensatz zu dem Wunsch nach einfachen Antworten – und erfordert Zeit für den Weg Intellektueller Exkurse und den Prozess des Verstehens. Zeit, die besonders Menschen nur schwer erübrigen können, die 2,3 oder mehr Jobs nachgehen müssen, um ihre Angehörigen und sich selbst zu ernähren.
Exzessiver Ärger, Intoleranz und schockierende Respektlosigkeit sind häufig die Folge der beschriebenen Erscheinungen – eigentlich Zeichen von Unsicherheit und Hilflosigkeit.
Gibt es wirksame Behandlungsansätze für unsere Gesellschaften in Europa?
Mein Versuch, einen Teil der aktuellen Situation in Europa und die aus diesem Status resultierenden Probleme zu diagnostizieren, ist in vielen Hinsichten hilflos.
Und jeder Versuch von mir, aus diesen sehr lückenhaften Diagnoseansätzen Therapieempfehlungen abzuleiten, wäre zum Scheitern verurteilt.
Aber erlauben Sie mir einige abschließende persönliche Bemerkungen:
Mein Leben ist geprägt von dem wunderbaren Traum eines gemeinsamen, sozialen Europa sowie von der Möglichkeit und den Faszinationen des Reisens.
Reisen bedeutet für mich in aller erster Linie Begegnung – mit Menschen, mit Ansichten, mit Gewohnheiten und mit vielem mehr. Diese Erlebnisse haben immer mit anderen Menschen zu tun und sind ohne Respekt und Toleranz nicht denkbar.
Portugal, die Algarve und die Menschen, die im südwestlichsten Teil unseres Kontinents leben, haben es mir immer sehr leicht gemacht, ins Gespräch mit ihnen zu kommen. Mit ihrer Höflichkeit, ihrer ehrlichen Gastfreundschaft mit ihrer Toleranz und mit ihrem Respekt.
Wir alle haben Möglichkeiten, im Kleinen und Großen für Respekt und Toleranz einzutreten. Überall – vielleicht besonders an der Algarve.
Brendan Cox, Ehemann der ermordeten Jo Cox:
"Sie hätte sich jetzt vor allem zwei Dinge gewünscht. Erstens, dass unsere geliebten Kinder viel Liebe erfahren, und zweitens, dass wir uns alle zusammentun, um gegen den Hass zu kämpfen, der sie getötet hat. Hass hat keine Überzeugung, Ethnie oder Religion, er ist giftig."
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Jeder Kriminalbeamte weiß, auf welch weichen Beinen die Aussage eines Augenzeugen steht, und so wird das Attentat politisiert, obwohl die Untersuchung erst begonnen hat, werden uns Spekulationen als Recherche-Ergebnisse verkauft.
Desshalb sind Schlußfolgerungen zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Sie geben uns höchstens das Wunschbild, der im dunklen bleibenden Meinungsorganisatoren aus politischen und Lobby-Kreisen, wieder.
Mit solchem Informationsmüll sollte man vorsichtig umgehen – ohne es zu wollen wird man sehr schnell, durch die Weiterverbreitung, zum Werkzeug ganz anderer Interessen.
Hallo "WoMolix",
"Algarve für Entdecker" veröffentlicht fast jeden Kommentar, ohne dass wir damit den Inhalten immer zustimmen.
So ist es auch in Ihrem Fall:
Wir spekulieren nicht – was dir Hintergründe des fürchterlichen Verbrechens an Jo Cox betrifft – und ansonsten lassen wir Ihren Beitrag unkommentiert.
Viele Grüße
Alex